Review

Christiane Rösinger

Lieder ohne Leiden

Staatsakt • 2017

Die Grande Dame der deutschen Songwriter-Szene meldet sich nach »Songs Of L. And Hate« nach gut sechs Jahren mit ihrem zweiten Soloalbum eindrücklich zurück. Schon laut Titel soll »Lieder ohne Leiden« einen Versuch darstellen, auf Herz-Schmerz-Themen zu verzichten. Vor allem im Titelstück geht das allerdings (durchaus erwartbar) nicht auf; Christiane Rösinger kann und will sich einfach nicht von der eigenen Melancholie verabschieden, wie sie gleich ganz am Anfang klarstellt. Abgesehen davon handeln aber viele Stücke von Liebes-fernen Themen: etwa von ehrlichem Handwerk (»Lob der stumpfen Arbeit«) oder von ungerechten materiellen Privilegien (»Eigentumswohnung«). Erneut sorgt Ja, Paniks Andreas Spechtl im Studio für tatkräftige Unterstützung, indem er Rösingers Songskizzen mit viel Fingerspitzengefühl instrumentiert, stets im Dienst des jeweiligen Liedes. Die Lassie Singers-Tage sind natürlich längst ferne Vergangenheit, der Bubblegum-Pop der Sixties bleibt aber weiterhin ein Referenzpunkt, daneben sind Einflüsse der alten Songwriter-Schule von Leonard Cohen bis Burt Bacharach unüberhörbar. Die Interpretation von Heinrich von Kleists »Das gewölbte Tor« bildet letztlich einen sehr gelungenen und versöhnlichen, ja beinahe optimistischen Schlusspunkt, denn so wie die Steine des Bogens sich gegenseitig am Niederstürzen hindern, können wir alle uns im freien Fall auch aneinander halten und so den Sturz aufhalten. Oder wie es im Original heißt: »Dass auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken lässt.«