Review

Evian Christ

Revanchist

Warp • 2023

Stress fühle er vor allem im Klassenraum, weniger beim Produzieren. Dass Joshua Leary seit nunmehr einer Dekade seinem raketenhaften Aufstieg in Europa wie den USA zusehen kann und Beats und Stems an einige der bekanntesten Namen im internationalen Musikgeschehen liefert, hätte er sich zu Beginn seines Lehramt-Studiums kaum ausgemalt. Während der 2010er-Jahre macht er sich neben der Arbeit einen Namen als Evian Christ, arbeitet mit Tinashe und Danny Brown, leiht sein Ohr aber parallel Leuten wie Vatican Shadow oder Ben Frost. Arbeiten für Rap-Legenden auf der einen, die Vorliebe für abgefuckte Sounds auf der anderen Seite. »Ich nehme Samples von Youtube und Werbespots ebenso auf wie von kaputten Gitarren und Schlagzeugen« – dieser Eklektizismus ist über die Jahre geblieben. Eine No-Fucks-Given-Attitüde zieht sich nun auch durch sein Debütalbum »Revanchist«, das Trance-Tropen mit Genuss dekonstruiert und einen melodramatischen Querschnitt durch sein bisheriges Schaffen bietet. Von souligen Voice-Samples bis zu noisigen Beatattacken sind es im Opener »On Embers« nie mehr als ein paar Sekunden, während das Bladee-Feature »Yxguden« Cloud-Rap und Eurotrance verschmilzt, um dann in einer annähernden Hardstyle-Klimax zu münden. Nichts wiederholt sich auf diesem Album, doch alles wird durch den kognitiven Filter eines Typen geschossen, der auch schon mal gut und gerne hundert Tracks in zwei Wochen zusammenschraubt. Wäre die musikalische Dringlichkeit einer Ode an unglücklich Verliebte wie »Nobody Else« oder dem durchgelayerten Breakbeat-Fest »Xkrygios« nicht so vereinnahmend – es wäre leicht, Evian Christ Fließbandproduktion, Effekthascherei oder mangelndes Understatement vorzuwerfen. Doch seinen Hatern zum Trotz geht es ihm genau darum: Maximalismus. Wer hier zunächst style over substance wittert, sollte »Revanchist« also mindestens noch zwei Chancen geben.