Review Rock

Gilla Band

Most Normal

Rough Trade • 2022

Genre, Stile und ihre Ableger, ihr konkreter Sound – das ist immer auch eine Frage des Zeitgeistes. Damit sind nicht unbedingt Trends gemeint, sondern viel mehr das Geflecht langfristiger Leitideen einer Generation, einer Gesellschaft, einer Ära. En vogue ist es zwar, Verhältnisse unserer transatlantischen Postdemokratien im Kulturbetrieb zu bemängeln, doch wirken diese Interventionen oft selbst schon von Beginn an embedded, mindestens aber unaufrichtig. Gerade Rockmusik hatte in jüngster Zeit immer weniger zu sagen, wenn es um die kulturellen Clusterfucks der Gegenwart geht. Ausnahmen wie Gilla Band bestätigen die frustrierende Regel, haben aber seit ihrer Gründung 2011 darauf verzichtet, in Fettnäpfchen biederer Revivals zu treten, die selbst unter kantigen Subkulturen oft genug Imitation und Konformität bedeuten – von Post-Rock und Punk bis Black Metal und »Indie«, was auch immer das sein soll. Stattdessen geißelt sich das Quartett aus Dublin durch die Exploration des Abseitigen, verschraubt Industrial, Noise und Techno zu einem Soundbild, das vor Störgeräuschen, Reverbs und maximal aufgedrehten Pedals zu Bersten droht – und das ein ums andere Mal auch tut. Schon auf den ersten beiden Alben war dieser Exzess im Kommen, half dabei, eine idiosynkratische Krachsignatur zu realisieren die funktioniert. Selbst ein Clubbanger wie Blawans »Why They Hide Their Bodies Under My Garage« wurde so in einen Bandkontext übertragen. »Most Normal« gelingt auf all diesen Ebenen tatsächlich eine stilsichere Steigerung. Es zeigt Musiker, denen Lockdowns und mediale Massenpsychosen zugesetzt haben, und die nun dementsprechend mehr Noise als Rock in ein zutiefst abgefucktes Album kanalisieren. Unterm Strich also eher eine Studio- als eine Live-Arbeit, deren Duktus durch Dara Kielys ebenso schnapsgetränkte wie spöttische Delivery in den besten Momenten zur Endzeitpredigt anschwillt. »Over talking about wrestling / Over and over and over again / I gave up on general hygiene / Financial savings and exercising«. Von Konsumlobotomie, Identitätspolitik und Optimierungswahn gespeist, entlädt sich hier der Nihilismus einer desillusionierten Generation, die so viel Scheiße fressen musste, dass sie jetzt nicht aufhören kann damit zu werfen.

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