Review

Irreversible Entanglements

Open The Gates

International Anthem • 2021

Der liebe Gott hat es ja so eingerichtet: Von allen Dingen gibt es stets zwei Seiten. Das fängt bei Papier an, geht über Medaillen bis hin zum Free Jazz. Denn in dem Genre gibt es auf der einen Seite jene Bands und Musiker, die das Klischee von Free Jazz bedienen. Unhörbar. Unverständlich. Unsinn. Und dann gibt es jene Bands und Musiker, die Free Jazz spielen und leben. Auf der richtigen Seite. Da entfacht sich im Sound nach kurzer Zeit bereits ein Funke, der sofort auf das Publikum übergeht. So wie beim US-Kollektiv [Irreversible Entanglements](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/6381/irreversible-entanglements,) das mit »Open The Gates« sein drittes Album vorlegt. Das hört sich an vielen Stellen wie ein Klischee nur ohne Klischee an. »Storm Came Twice« ist eben dieser chaotische Free Jazz, der alles über den Haufen mäht, was ihm in den Weg kommt. Nur steht nicht das Virtuose im Vordergrund, sondern die pure Energie. Polyrhythmen? Vorhanden. Schreiendes Saxofon? Ebenfalls dabei. Aber Irreversible Entanglements spielen ihre Tracks nicht vom Kopf her, sondern aus dem Bauch, aus der Seele. In einem Track wie »Keys To Creation« fließt der Sound zuerst durch zurückgenommene Synthie-Flächen, bevor die Nummer mehr und mehr in Richtung NYC-Jazzclub abkippt. Besonders der Bass hat an dieser Stelle einen unglaublichen Groove, der jedoch mehr aus dem Rock als dem Jazz kommt. Zumindest für manche Moment. Denn der Sound auf »Open The Gates« ist stets in Bewegung, Strukturen und Muster gehen selten in die Wiederholung. Was trotzdem nie anstrengt. Eindeutig Free Jazz. Nur ohne die nervigen Seiten. Oder wie es im Opener heißt: »Energy Time!« Und Irreversible Entanglements stehen damit definitiv auf der richtigen Seite.