Review

Lost Scripts

Giske / Mozart

Hivern Discs • 2019

Abseits von allen (Mini-)Trends der letzten Jahre und Revival-Sounds dürfte vor allen Dingen Nu-Disco die Landschaft der elektronischen Tanzmusik seit 2010 geprägt haben. So wie der Urahn Disco die 1970er Jahre formte, ist das Genre beziehungsweise diese musikalische Textur nicht von den Tanzflächen wegzudenken gewesen. Damals, als es vor etwa zehn Jahren so richtig losging, spielte sich ein zurückhaltender Junge aus Barcelona mit Alufolie im Gesicht schnell in das Rampenlicht mit seinem Debütalbum »ƒIN« rein in die Notizbücher der Kritiker und die Plattenschränke der Liebhaber. Seitdem hat John Talabot als Musiker – diesen Titel lehnte er noch bis zuletzt ab – und vor allen Dingen als Label-Kopf von Hivern Discs mehr Menschen eine gute Nacht bereitet als etwa Rum-Cola; und auch sein Gesicht durfte man mittlerweile erblicken. Nicht im gleichen Maße, aber ähnlich anerkannt, treibt es Pional aus Madrid. Das musikalische »El Clasico« unter dem Namen Lost Scripts findet sich nun endlich zum dritten Mal zusammen. Talabot und Pional setzen da an, wo sie mit »Hiverned #4« vor drei Jahren aufhörten: Verspulte Disco-Sounds. Die A-Seite nennt sich »Giske«, ist benannt nach der norwegischen Insel auf der sich die beiden zum Musik machen trafen und überzeugt mit erratischem Sprachsample, Filter-Auf-Zu-Lines aus der Mono-Synthese, paar Störgeräusche, einem flockigen Drum-Bett’chen und zwölf Minuten Spielzeit um sich mittendrin schlicht zu verlieren. Wer eintaucht in diese Nummer, wird da vorerst nicht mehr rauskommen. Die B-Seite »Mozart«** hingegen zeugt deutlicher vom Disco-Erbe. Hier wird die Hi-Hat im Off geöffnet, die Snare betont und das ist richtig funky. Im Break wird es dann orgelig, nur um dann loszuknarzen um den alten 00’er-Begriff mal wieder auszugraben. Nu-Disco never grows old.