Review

Lucrecia Dalt

No Era Sólida

RVNG Intl • 2020

Man kann Lucrecia Dalt sicher nicht vorwerfen, dass sie zu übermäßiger Wiederholung neigt. Nach den säuberlich strukturierten Patterns ihres Albums »Anticlines« von vor zwei Jahren reißt sie jetzt Grenzen ein, wo es nur geht. »No Era Sólida« hat sie um das Konzept eines Alter Ego namens Lia entworfen, das sich bevorzugt in wortfreien Verlautbarungen bemerkbar macht. Der Gesang ist mitunter kaum von den übrigen Geräuschen zu unterscheiden, bei denen Lucrecia Dalt ihre Delays genutzt hat, um Klänge zu verfremden, Eindeutigkeiten zu beseitigen, nach Möglichkeit selbst den Übergang von Melodie zu Rhythmus aufzulösen. Wie bei einer Anrufung beginnt Dalt mit stark bearbeiteter Stimme auf Englisch, wenngleich kaum verständlich, zu singen. Danach setzt das fein abgestimmte Durchmessen des Diffusen ein. Zum Abschluss meldet sie sich noch einmal auf Spanisch, diesmal sind die Worte etwas deutlicher. Lucrecia Dalt lässt einen bis dahin nicht einfach in wabernden Wattierungen stehen, sie hält ihre einzelnen Ereignisse vielmehr ziemlich diskret. Die sind dafür in sich so mutiert, dass deren Begegnungen untereinander etwas von tönender Alchemie haben. Man betritt diese unerforschten Gebiete auf eigene Gefahr, das Risiko ist gleichwohl begrenzt. Eine Art Veränderung des Aggregatzustands von mehr befreiender als verängstigender Wirkung.