Review

Michal Turtle

Michal Turtle Reinterpreted

Planisphere Editorial • 2020

Wer zur Hölle ist Michal Turtle Als im Herbst die EP »Are You Psychic?« erschien, fanden sich darauf zwei Tracks eines Phantoms. Eingespielt wurden sie zwischen den Jahren 1983 und 1984, sofort aber wieder vergessen. Seit Neuveröffentlichung der EP aber folgte noch mehr Material des sporadisch unter anderen Namen und in Bandkonstellationen in der Schweiz aktiven gebürtigen Britens, der wie schon zuvor Gigi Masin und Suso Sáiz vom Label Music From Memory aus der Versenkung geholt wurde. Nachdem auf dem Label Planisphere im Juni eine einseitige EP mit neuem Material des Synth-Pop- und New-Age-Produzenten erschien, legen dort nun zwölf Produzent*innen Remixe von Tracks aus dem Gesamtwerk Turtles vor. »Michal Turtle Reinterpreted« ist so heterogen wie das Personal divers: Pumpend-atmosphärischer Techno von LH eröffnet die knapp einstündige Compilation, sanfter Ambient von Félicia Atkinson sorgt für Verschnaufpausen, Lucrecia Dalt schlägt launische Avantgarde-Töne an. Die zweite Hälfte wird von clubbigen Reworks dominiert, eingeleitet wird sie von D.K.s flatternden Rhythmen. Nick Höppner extrahiert schwelgerisch-pulsierenden House und Luca Duran zackigen New Beat aus dem Ausgangsmaterial, lediglich object blue verliert sich in beatlosen Abstraktionen und wird von Mehmet Aslan aufgefangen, der psychotischen House mit Tribal-Note präsentiert. Und bevor Oso Leone eine fast vaporwavige Soul-Interpretation von »Maid of the Mist« hinlegt, beweist Parco Palaz mit seinen zwei Remixen von »Are You Psychic?« zuerst mit schneidigem Electro und das andere Mal mit brodelndem Ambient-Pathos, dass die Frage danach, wer nun Michal Turtle sei, schon immer die falsche war. Richtig ist es, danach zu fragen, was sein Werk bietet – und das ist jede Menge, wie diese abwechslungsreiche Compilation beweist.