Review

Mystic Jungle

Deviant Disco

Periodica • 2022

Wenn man es nicht besser wüsste, dann wäre man im Zweifel ganz scharf darauf, die neapolitanische Szene als großen Betrug entblößen zu können. So wie hier rund um Periodica und Early Sounds seit sage und schreibe zehn Jahren musiziert wird, so funky und discoid, so frisch und fröhlich, so boogie und woogie, wittert man in Zeiten des weltweiten Techno-Netzwerks eben Ironie. ABER: Die meinen da ernst – todernst möchte man fast sagen. Von Whodamanny, Milord und eben Mystic Jungle-Tropenfroscher Dario di Pace kann, nein, muss man einfach Fan sein. Lang leben die West Hill Studios Napoli! In Neapel, zwischen Vesuv, Ischia und Capri ist Europas Disco-Szene immer noch groß und saftig wie sonnengereifte Tomaten. Gerade aus der Mystic Jungle-Feder kommen immer wieder große tanzbare Hits, die klingen als wären sie 1978 in einer Hinterhof-Klitsche aufgenommen worden. In den Riones, den Vierteln der Millionenstadt, hätten dann coole Jungs in weißen Jeans und Polo-Hemden, sowie stylische Ragazze und Donne mit Polka-Dot-Kleider abgeheizt. Und dann hätte eben ein findiger Knabe das alles erst neulich wiederentdeckt und rausgebracht. Doch wie man spätestens auf einer dreamy Space-Nummer wie »Hold On Your Dreams« hört, wo die Synthesizer so knacken-modern gesetzt sind, und trotzdem so cool-nostalgisch abdriften, das ist eben nicht nur richtig geil; sondern unnachahmlich uptodate. Di Pace bastelt hier weiter am Mythos Napule – und das könnte dank Air-Anleihen und neuem Gespür für großes Pop-Songwirting nun auch endlich in allen Ecken des Kontinents ankommen.