Review

Nagel

Drive-By Shots

ventil verlag • 2015

Thorsten Nagelschmidt, besser bekannt als Nagel und ehemaliger Sänger und Gitarrist von Muff Potter, veröffentlicht mit »Drive-By Shots« nach zwei Romanen nun eine Sammlung mit Reiseberichten samt dazugehörigen Fotos. Natürlich handelt es sich nicht um klassische Reiseberichte, in denen hauptsächlich Sehenswürdigkeiten der exotischen Fremde beschrieben werden. Vielmehr sind das Versuche der Selbstbestimmung durch genau diese sich stetig wandelnden Kulissen. Die inhaltliche Klammer bildet eine Nikon D40, mit der auch die meisten Bilder gemacht wurden. Die Kamera bekommt Nagel am Anfang in Vancouver auf der Straße von einer netten jungen Dame einfach geschenkt und in der letzten Geschichte in Augsburg wird sie ihm aus Hand geschlagen und somit kaputt gemacht.

Dazwischen pendelt Nagel von Phnom Penh nach Gießen, zwischen Las Vegas und Wien, Bombenalarm in Israel und Provinzirrsinn in Thüringen. Chronologie wie roter Faden fehlen der Sammlung zwar, aber das ist hier sogar eine der Stärken. Mit starrem Konzept schreibt es sich eben selten so schön lakonisch-ironisch, mit Checker-Scherzen und Anspielungen auf artverwandte (Reise-)Autoren wie Jack Kerouac oder Hunter Thompson (köstlich: Nagels Einfahrt nach Las Vegas auf einer Überdosis Ibuprofen). Zwischen der ein oder anderen brenzligen Situation blieb ihm offenkundig genug Zeit, seine Eindrücke noch vor Ort festzuhalten und zu reflektieren. Oft reist er allein, nie in der Gruppe, selten zu zweit. Eine Lesereise mit John Niven oder ein Urlaub mit einer Uta, bei dem Nagel fast im Indischen Ozean ertrinkt, sind seltene Ausnahmen.

Gerade das Alleine-Reisen ist es, was Nagel fasziniert und für das ihm immer wieder gute Gründe einfallen. Als LeserIn entdeckt man schnell wie Nagel tickt, was ihn umtreibt und auch einige Erlebnisse wie Gedanken, die wohl bei allen Soloreisenden so oder so ähnlich auftauchen. Die Fotos illustrieren die Geschichten meist passend und recht charmant, auch wenn es größtenteils Bilder von meist nicht gerade sonderlich kunstvollen Graffitis, skurrilen Reklameschildern und alltäglichen Straßenszenen sind – verkünstelt wird sich dabei nicht. Wenn die Motive allerdings, wie in einigen Stories geschehen, in den Texten explizit aufgegriffen werden, dann passt auch ein großformatiges Bild eines beschrifteten Bauzauns wunderbar in diesen kurzweiligen Band.

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