Review Hip-Hop

Public Enemy

What You Gonna Do When The Grid Goes Down?

Def Jam • 2020

Auch mit seinen nunmehr 60 Jahren ist Carlton Ridenhour alias Chuck D kein bisschen leise. Zumindest nicht auf Tracks wie »Go At It« oder »Grid«, die den Kern des neuen Public-Enemy-Albums ausmachen. Warum auch? Schließlich haben sich die Verhältnisse kaum zum Besseren entwickelt, seit Public Enemy vor mehr als 30 Jahren mit Alben wie »Yo! Bum Rush the Show« »It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back« und »Fear of a Black Planet« ihre Definition von »Rap als CNN der Schwarzen« unter die Leute brachten. Und so schreit Chuck D, halb Mensch, halb Megafon, auch auf den meisten der 17 Tracks von »What You Gonna Do When The Grid Goes Down«, dem 15. Studioalbum von Public Enemy das gleichzeitig die Rückkehr zu ihrem seinerzeitigen Label Def Jam markiert, den Mächtigen seine Wut direkt ins Gesicht, sonor und nachdrücklich wie immer. Gemäß des oben zitierten Anspruchs liegen die Themen auf der Hand: Polizeigewalt, von der die Morde an George Floyd und Breonna Taylor lediglich die Spitze des Eisbergs zeigen, die daraus resultierenden weltweiten »Black Lives Matter«-Proteste, die ebenso weltweite Corona-Pandemie – und selbstverständlich die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl. Auch wenn Ridenhour Donald Trump hier nirgends namentlich erwähnt, bildet der 45. US-Präsident doch eine der Hauptzielscheiben seiner Lyrics. »Vote this joke out, or die trying«, rappt er in »State Of The Union (STFU)« über DJ Premiers eindringlichen Beat. Überhaupt hat man einen ganzen Sack voll Hip-Hop-Best-Ager eingeladen: Ice-T Run-DMC Nas Cypress Hill zudem P-Funk-Mastermind George Clinton. Wie die im Albentitel formulierte Frage insinuiert, üben sich Public Enemy darüber hinaus in Medientech-Skepsis: »No grid is what we need for new human contact / Not even your own server can save you«. Haben Chuck D & Co. sich auf »WYGDWTGGD?« also neu erfunden? Eher nicht: Zu sehr setzt man mittels aufpolierter Remixe und Reworks alter Großtaten wie »Fight The Power« und »Public Enemy No.1« auf nostalgische Werte und das Wiederbeleben einstiger Relevanz. Zwei intimere, leisere Momente gibt es indes doch – und die gehören prompt zu den besten des Albums: Auf »Rest In Beats«, das wie eine ganze Handvoll anderer Tracks hier allerdings bereits vor drei Jahren auf einem Free-Download-Album zu hören war, gedenkt Ridenhour der Toten, auf »R.I.P Blackat« ist es am offensichtlich rehabilitierten Flava Flav, einem verstorbenen Mentor Respekt zu erweisen. Unnötig dagegen die Attacke auf Caitlyn Jenner; schwach, dass lediglich zwei Frauen ihre Stimmen erheben dürfen, und das auch nur kurz. Unterm Strich ein respektables Album – jedoch zu wenig, um die alte Legende mit neuem Leben zu erfüllen.