Review

Spyros Polychronopoulos

Electronic Music

Experimedia • 2014

Was ist das eigentlich: »Elektronische Musik«? Diese Frage hat sich Spyros Polychronopoulos mit seinem so betitelten Album zwar nicht gestellt, sie gesellt sich aber zu denen, die es aufwirft. Ansatz des Albums: Das musikalische Spiel mit der Tatsache, dass neuen, unvertrauten Klängen nicht unmittelbar anzuhören ist, ob sie trocken oder mit Hall vorliegen. Hintergrund: Die Auffassung, dass trockene Klänge aus Hörersicht im Hier und Jetzt entstehen, während Klänge, die Rauminformation mit sich führen, sich als Aufnahmen präsentieren, als sekundäre Natur, aus anderen Räumen, aus anderer Zeit. Seine Behauptung: Die »Aura«, die beim reproduzierten Kunstwerk verloren gehe, also etwa bei Aufnahmen, wie von Walter Benjamin in seinem klassischen Text von 1936 expliziert, werde im besagten Spiel auf diesem Album somit zum Schillern gebracht. Verstiegen? Wenn ohnehin dem Hörer klar ist, dass alle Klänge von einer CD stammen? Ist alles, was wir ab CD hören, eine Aufnahme? Ist es nicht immer elektronische Musik? Unübersichtliches Terrain ist es allemal, worin uns der im Vereinigten Königreich ansässige Grieche entführt, dessen Alben bislang vor allem auf dem Athener Label Creative Space und meist unter dem Alias Spyweirdos erschienen, auf den aber auch schon Room40 oder Ad Noiseam aufmerksam wurden. Sich übereinanderschiebende Drone- und Texturschichten, reich an Mikrorhythmen und Tape-scratch-Glissandi, werden gebrochen durch geräuschhafte Überfälle und von eingestreuten, kurz aufblitzenden Raum- und Recording-Schnipseln, und münden schließlich im längsten der acht Stücke in einen hypnotisierenden Workout. Man meint, einem Ryoji Ikeda zu lauschen, der 1997 die Mathematik hätte sausen lassen um doch auf Akusmatik einzuschwenken. Als Ganzes enfaltet dieser psychoakustische Irrgarten voller Klangdetails und lebendiger Unberechenbarkeit mit durchgehendem Sixties-Avantgarde-Soundtrack-Flavour jedenfalls einigen Reiz.

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