Review

Surya Botofasina

Everyone’s Children

Spiritmuse • 2022

Es waren vor allem die Frauen in seinem Leben, die Surya Botofasinas musikalischen Werdegang von Kindesbeinen an prägten. Seine Großmutter eine begnadete Musikerin, seine Mutter Sängerin und Schülerin von Alice Coltrane, er selbst ebenfalls schon früh bei den täglichen Bhajans dabei, die Coltrane über Jahre im südkalifornischen Sai Anantam Ashram mit einem ganzen Ensemble von Musikerinnen und Musikern abhielt. Surya wuchs hier auf, erlebte den Alltag zwischen Musik, Meditation und spiritueller Praktik. Kaum verwunderlich also, dass auf dem Debütalbum des Komponisten eine kraftvoll feminine Energie den Ton angibt, in deren Strudel verträumt funkelnde Synth-Passagen mit Jazz-Intermezzi verschwimmen und zu ausgedehnten Suiten anwachsen. Um diese teils bis zu 27 Minuten langen Kompositionen stemmen zu können, versammelte Botofasina einen illustren Cast an Musizierenden – vom Multiinstrumentalisten und Bandleader Carlos Niño über die Sängerin Mia Doi Todd bis zu Saxofonist Pablo Calogero und Mutter Radha, die in »Waves For Margie« ätherisch ihre Harfe zupft. Über zehn Jahre in der Mache und vor allem während Jam-Sessions und kollaborativer Konzerte konzeptionell verfestigt, ähneln die Stücke auf »Everyone’s Children« hypnotischen Gebeten, in denen allen Beteiligten eine wichtige Rolle bei der Ausgestaltung des Klangbildes zukommt. So knacken Lichtmomente wie »Sun Of Keshava« oder »Meghan Jahnavi« die Viertelstundemarke mit großer Gelassenheit und dem Wissen, das Zeit keine Rolle spielt. Swamini Turiyasangitananda, wie sich Alice Coltrane seit Anfang der 80er nannte, wäre wohl mehr als stolz auf ihren Schüler. Sie selbst klang als Pionierin von New Age und Spiritual Jazz auch auf den stilbildenden Alben »Turiya Sings« (1982) oder »Divine Songs« (1987) kaum hingebungsvoller, kaum andächtiger oder entrückter.