Kann man als Rockmusiker einfach in Rente gehen? Und wie entscheidet man, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist? Für den 71-jährigen Michael Gira, Mastermind der Swans, scheint dieser Moment mit dem 17. Album Birthing erreicht. Nach über 40 aktiven Jahren und diversen Inkarnationen seiner Band legt er ein fast zweistündiges, monumentales Werk vor, das seine Vision als Songwriter und Produzent würdig abrundet. Zwischen Selbstzweifeln und Megalomanie, zwischen minimalistischem Wohlklang und bombastischem Krach bewegen sich auch diese sieben monolithischen Stücke – die meisten davon mit einer Spielzeit um die 20 Minuten. Entsprechend viel Raum bleibt Songs wie der Single »I Am a Tower«, um eine bedrückend schwere Atmosphäre aufzubauen und sich langsam bis zur eruptiven Katharsis zu steigern.
Das kann mit sanften Chorgesängen beginnen oder – wie bei »The Merge« – mit kompromisslosem Geknüppel nach dem zuckersüßen Kinderausruf »I love you, mommy«. Auch stimmlich gibt Gira den Impresario irgendwo zwischen Nick Cave ohne Gottesfurcht und Lou Reed minus Bodenständigkeit und ironischer Distanz. Leichtigkeit oder gar Humor sollte man hier nicht erwarten: Birthing ist geprägt von einer schweren, wenn auch bisweilen verspielten Ernsthaftigkeit. Und für übertriebene Altersmilde ist Gira dann doch zu sehr der ewige Schmerzensmann – Birthing markiert damit kein Abklingen, sondern eine letzte, entschlossene Erhebung.

Birthing