Review

The Necks

Travel

Northern Spy • 2023

The Necks machen keine Musik, sie bringen die Luft zum Vibrieren. Alles an dieser Band ist schwer zu umschreiben und fühlt sich doch so leicht an: Sicherlich, irgendwie ist das Jazz, improvisiert und von der Dringlichkeit eines Live-Konzerts. Zugleich aber scheint das australische Trio auch seit seiner Gründung Ende der 1980er-Jahre dem Geist eines musikalischen Minimalismus verpflichtet, nutzt seine ausufernden Stücke beziehungsweise Alben – meistens ist das dasselbe, besteht eine LP aus nur einem Track – dafür, das Spiel von Differenz und Wiederholung durchzuspielen. »Travel« ist ihr 19. Studioalbum und versammelt Stücke, die im Grunde nur das Aufwärmtraining für ihre Aufnahmesessions darstellen: Chris Abrahams (Klavier und Orgel), Lloyd Swanton (Bass und Kontrabass) und Tony Buck (Schlagzeug und Percussion) begannen jede Sitzung mit einer zwanzigminütigen Improvisation, von denen vier hier in voller Länge und mit minimalen nachträglichen Korrekturen und Overdubs dokumentiert werden. Wer das nicht weiß, würde es nie für möglich halten: Schon der Opener »Signal« scheint so konzise durchkomponiert und feinsinnig arrangiert, dass es sich eigentlich unmöglich um eine spontane Schaffung handeln kann. Aber die drei arbeiten eben auch schon seit weit mehr als drei Jahrzehnten miteinander und sind eingespielt wie wohl kaum eine andere Band dieser Welt. So werden die bouncende Kontrabassline Swantons und Bucks jazziges Drumming zur Kulisse Abrahams’, der als Live-Komponist und Arrangeur eine emotionale Achterbahnfahrt konstruiert. Andere Bands schaffen so etwas nicht im Laufe ihrer Karriere, für The Necks ist das nur die Dehnübung vor dem Marathon. Die drei weiteren Stücke lassen die Kinnlade in Zeitlupe noch weiter nach unten fallen: »Forming« klingt tatsächlich wie ein sich langsam formierender Sturm, »Imprinting« schafft eine Fourth-World-Music-ähnliche Atmosphäre und »Bloodstream« klingt zugleich wunderschön verträumt und schäumend aggressiv. The Necks machen keine Musik, sondern irgendwie etwas anderes und eigentlich sogar mehr als nur das.

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The Necks
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