Ähnlich wie David Bowie auch noch Bowie war, als er sich Mitte der Siebziger vom Glam-Rock verabschiedete und den Blue-Eyed Soul seines Albums Young Americans veröffentlichte – ein unterbewertetes Meisterwerk, dessen Einfluss auf die letzten Platten von U.S. Girls spürbar war –, bleibt auch Meghan Remy, die Singer-Songwriterin hinter U.S. Girls, eigentlich immer sie selbst. Obwohl sie ihre Klangästhetik regelmäßig verändert, wirkt das nie kalkuliert. Wenn sie ein neues Genre aufgreift, geschieht das mühelos, weil der Kern ihres künstlerischen Ausdrucks erhalten bleibt.
Auf ihrem neuen Album Scratch It verwandelt sich Remy nun in eine zutiefst amerikanische Southern-Sängerin. Sich musikalisch dem ästhetischen Erbe der USA anzunähern, kann in verwirrenden Zeiten wie heute auch eine Form der Heilung sein. Anklänge an Dolly Parton oder Patsy Cline sind unüberhörbar, etwa wenn Remy singt: »I’m the queen of exorcising pain«. Es ist eine alltagsnahe, von klassischer Country-Musik inspirierte Tragik, die sie auf Scratch It aufgreift – und zugleich kontert: »You gotta dance ‚til you feel better.«
Diese Ästhetik passt nicht nur zu Remys klarer, schneidender Stimme, sondern auch zur aktuellen Indie-Welt. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass man ein solches Album heute »trendy« nennen würde? Wenn in »The Clearing« die pointierte Mundharmonika einsetzt, wirkt das stimmig – nicht ironisch.
Funky ist die Musik von U.S. Girls auch auf Scratch It noch – allerdings in einem erweiterten Sinne. Der Südstaaten-Einfluss reicht über klassischen Country hinaus: Die Grooves erinnern an alte Stax-Platten, die Gitarrenparts wecken mitunter Assoziationen zu Steve Cropper, dem legendären Gitarristen von Booker T & the M.G.’s. Doch solche Einflüsse bleiben keine bloßen Zitate – sie werden auf Scratch It weitergedacht: Im elfminütigen »Bookends« etwa verwandeln sich scharfe Telecaster-Fills nach und nach in ein rhythmisches Funk-Schrammeln, das auch von Nile Rodgers stammen könnte.

Scratch It