Die Zeit ist angesichts der weltweiten Großwetterlage mehr als reif für dieses Album. Vladislav Delay macht die Zersetzung dessen, was wir gegenwärtig noch als selbstverständlich erachten, auf »Rakka« mit schmerzhafter Konsequenz hörbar. Der Titel ist nicht nur Japanisch für das Partizip I von »fallen«, sondern auch phonetisch nah an Raqqa. Die syrische Stadt war von 2014 bis 2017 die Hauptstadt des IS und damit Schauplatz unvorstellbarer Grausamkeiten. Entsprechend prägen explosive Noise-Ausbrüche alle Konturen dieses Albums, das trotz manch vertracktem Beat weder zum Tanzen einlädt noch als Hintergrundbeschallung taugt. Diesen banalen Ansprüchen wollte Vladislav Delay der in den letzten Jahren eher durch ruhige Arbeiten in Ambient, Dub Techno und Glitch oder als Komponist von Filmmusik auffiel, sowieso noch nie gerecht werden. Für 45 Minuten nimmt der umtriebige Finne stattdessen eine gnadenlose Inversion gängiger Genre-Tropen vor: Körperlose Bässe, die aus tiefen Kellern emporschallen oder sich hohl in den Vordergrund wölben, mal von Krachschleiern und bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Vocals durchzogen, im nächsten Moment mit berstenden Kicks rhythmisch windelweich getreten wie in »Rakkine« oder »Rampa«. Die schroffe Intensität, mit der sich diese Tracks durchs Ohr fräsen, ist in vielen Momenten atemberaubend. Dennoch klingt die Produktion so durchkalkuliert wie die Prozesse in einem Hüttenwerk, das am Maximum operierend außer Kontrolle gerät. Vor allem gegen Ende scheint der Hochofen in »Raatajawav« und »Rasite« flüssiges Roheisen zu speien, während es unter dem Druck der titanischen Kräfte in seinem Schacht zu schreien beginnt. Es tönt betäubend grell und bedrohlich laut – alles ist Energie. Wer diesen Sound als etwas begreifen kann, das überwunden werden will, den konfrontiert »Rakka« mit einer Dreiviertelstunde Katharsis ohne Ausweg.
Rakka