Flying Lotus – Er weiß, was er zu tun hat

20.09.2012
Foto:Timothy Saccenti / © Warp Records
Erwartungen können Menschen brechen. Und bei Steven Ellison sind es nicht einmal die Erwartungen der Anderen, der Kritiker oder Fans, sondern die eigenen Ideen, an denen er sich selbst misst.

Das Rauschen lässt nicht nach. Beim Hören der Aufnahmen mischt sich dazu ebenfalls noch ein ungutes Grummeln in die Stille der Telefonleitung. »Das ist eine gute Frage.« Dann wieder nichts mehr als das Atmen der Technik. »Das ist eine sehr gute Frage. Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist etwas, dass zwischen dir und deinem Bauchgefühl passiert«, sagt Steven Ellison dazwischen durch die schlechte Telefonverbindung.
Das Tondokument stammt von einer Montagnacht in den ersten Tagen des Septembers. Die Ankündigung, dass Flying Lotus sein neues Album »Until The Quiet Comes« veröffentlichen wird, ist seit Monaten raus. Und alles wartet auf den nächsten großen Wurf von Ellison – bei dem er eben weiß, dass er fertig ist, wenn sich jenes Bauchgefühl meldet. Der Druck könnte nach »Cosmogramma« kaum größer sein und auch Flying Lotus spürt das. »Aber mehr als jeder andere habe ich gespürt, dass ich mich selbst glücklich machen will. Ich bin mein härtester Kritiker. Ich weiß einfach, wann ich nicht mein Bestes gegeben, wann ich mich nicht herausgefordert habe. Ich weiß, was ich zu tun habe.« Das Gespräch schwankt zwischen ernsten und sehr leichten Momenten. Manchmal senkt sich die Stimme von Ellison. »Es geht um Energie. Ich muss… ich muss wirklich gute Energie haben. Ich kann nicht müde oder faul sein.« Doch nicht nur deswegen waren die Aufnahmen zu »Until The Quiet Comes« schwierig. »Manchmal komme ich mit mir selbst nicht klar, aber dann ist es plötzlich wieder gut – gut für eine ganze Weile und ich vertraue mir.«

»Musik ist alles«, sagt Ellison und so wie das klingt, muss er in dem Moment ein Lächeln auf den Lippen haben.

Über Twitter meldete Ellison, dass er sich nicht wiederholen wollte, nicht noch höher, schneller, weiter sein wollte mit diesem Album. »Es ist einfach ruhiger«, sagt er und lacht. »Es ist minimaler, intimer geworden.« Verschiedene Einflüsse laufen dabei zusammen etwa das intensive Hören von Gentle Giant, Portishead und Stereolab. Doch es fällt auf, dass Flying Lotus bei den Features wieder auf bereits bekannte Gäste setzt: Thom Yorke, Laura Darlington und Thundercat sind vertreten. Die Verbindung zu diesen Leuten passt für Ellison einfach. Die Frage, warum sich dazwischen kein Rapper einreihe geht durch die Leitung. »Wenn ich es nicht schreibe, dann würde es keinen Sinn machen, dass ein Rapper über die Geschichten rappt, die ich mache. Wenn Du mit einem Sänger arbeitest, ist es was anderes, als bei jemandem der rappt. Und dann zu sagen, es wäre mein Album, würde sich komisch anfühlen.« Neu in der Reihe der Gäste ist Erykah Badu, die aber in »See Thru To U« perfekt in den Sound passt. Denn »Until The Quiet Comes« ist wirklich ruhiger, entspannter, nicht fordernd. Ellison fügt seinem Kosmos mit diesem Album wirklich eine neue Facette hinzu. Der Sound badet die Stille oft und gerne aus. Einzelne Melodien und Effekte von analogen Keyboards zeichnen ein Bild, das der Rhythmus dann sofort wieder verlaufen lässt wie in »The Nightcaller«. Natürlich ist die ganze Atmosphäre immer noch sehr weit draußen, aber erschlägt einen nicht mehr beim ersten Eindruck. Die Bedeutungen der Songtitel will Ellison nicht verraten. »Ihr könnt da eure eigene Bedeutung finden. Was ich dazu meine, interessiert nicht«.
Ellison bezeichnet sein neues Album als »a later thing«, eine Sache für die späten Stunden. Darauf festlegen mag er sich aber nicht. Ein paar Tage nach dem Telefonat erscheint ein Kurzfilm zum Album von Kahlil Joseph mit dramatischen Bildern, die sich jedoch wieder auflösen in lange Szenen, die kaum von Schnitten unterbrochen werden. Die Sonne sticht in manchen Aufnahmen vom Himmel, in anderen herrscht tiefste Nacht, während dahinter die ersten Tracks der Platte für die Öffentlichkeit zugänglich werden. »Until The Quiet Comes« passt wirklich bestens zur Nacht, weil sie immer besonders ist, die Welt schläft und nur der flache Atem der Städte über die Landschaften zieht. Doch dahinter liegen im Sound mehr Aspekte, die sie vielfältiger machen. »Musik ist alles«, sagt Ellison und so wie das klingt, muss er in dem Moment ein Lächeln auf den Lippen haben. »Musik ist alles, was ich habe.«