Betty Ford Boys – Beats aus der Bude

24.11.2014
Foto:Robert Winter / © Melting Pot Music
Es ist kaum ein Jahr her, dass Dexter, Brenk Sinatra und Suff Daddy ihr Debüt veröffentlichten. Schon wurden für »Retox« wieder die G-Funk-Geräte angeschaltet. Diesmal in einer alten Fischerhütte. Die Betty Ford Boys sind wieder im Rausch.

Während eigentlich nur noch der durchschnittliche YouTube-Hater auf Dr.Dres Phantom »Detox« wartet, fordern deine Lieblingshofkapellmeister von den Betty Ford Boys auf ihrem zweiten Album »Retox« schon mal zur Rückbesinnung auf die Intoxikation auf. Kaum ein Jahr ist es her, dass Dexter Brenk Sinatra und Suff Daddy mit ihrem Debüt »Leaders Of The Brew School« der europäischen Beat-Szene ein bisschen mehr Westcoast einflößten und das deutsche Compton irgendwo zwischen Prenzlauer Berg, Heilbronn und Kaisermühlen platzierten. Dass sich die Fachjournaille und die Stammtischbrüder mit Bummtschakk im Glas auch dieses Mal mit Superlativen überschlagen werden, sobald die Moog-geschwängerten G-Funk-Geräte der drei Schnapsnasen über den Tresen wandern, ist dabei so klar wie ein doppelter Kornbrand. Die Betty Ford Boys sind wieder im Rausch.

Ihr ward gerade auf Tour – welche Stadt war am Feucht-fröhlichsten?
Brenk: Wir trinken auf Tour mittlerweile gar nicht mehr so viel. Beim letzten Mal haben wir uns zwei Wochen am Stück abgeschossen. Die jetzige Tour war dagegen total »erwachsen«, könnte man sagen.
Dexter: Das ist ja auch anstrengend: Aufstehen, Losfahren, Soundcheck, Trinken – das kann man nicht so lange durchhalten. Wir sind ja alle über 30.
Suff Daddy: Das fortgeschrittene Alter, das fehlende Training und natürlich die Professionalität, die über allem schwebt… (Gelächter)

»Dexter produziert immer nur nackt. Das war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig…«

Suff Daddy
Ihr habt euch für »Retox« in einer Fischerhütte eingenistet. Woher kam diese Idee?
Suff Daddy: Nachdem wir das erste Album mehr oder weniger über das Internet zusammengeschustert hatten, kam irgendwer auf diese Idee. Das war eigentlich auch nur Blödsinn von uns. Dann hat unser Label Melting Pot Music das aber sehr ernst genommen und Robert Winter, unser Fotograf, hat uns dann so ein Häuschen in der bayrischen Einöde gemietet.

Wie lief ein Tag dort in der Regel ab?
Suff Daddy: Also, Dexter produziert immer nur nackt. Das war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig…
Brenk: Ich produziere eigentlich nur im Liegen. Wie ein Römer.
Dexter: Nee, wir haben da einfach die Jogginghose angelassen…
Suff Daddy: …sind nicht duschen gegangen…
Brenk: …was normal ist bei uns… Dexter: … und konnten uns einhundertprozentig auf die Mucke konzentrieren – auch weil Olski [Oliver Von Felbert, Chef von Melting Pot Music; Anm. d. Verf.] mitgekommen ist, für uns gekocht und aufgeräumt hat. Anfangs war auch erst einmal die Frage, ob das funktionieren würde – wir benutzen ja zum Beispiel alle verschiedenes Equipment. Es lief dann meistens so ab, dass jeder für sich etwas begonnen hat und anschließend haben die anderen etwas dazugespielt. Es war die ganze Zeit über Interaktion.

Wie viel Ausschussware entsteht bei euren Sessions denn?
Dexter: In der Hütte haben wir so ca. 50 Skizzen gemacht und davon sind letztendlich 29 herausgefallen. Wir sind da schon selektiv und merken auch schnell, wenn etwas nicht funktioniert. Natürliche Selektion, sozusagen.
Brenk: Man hat halt seine Linie und der bleibt man treu. Manchmal lehnt man sich ein bisschen aus dem Fenster und probiert andere Sounds aus, aber eigentlich halten wir das immer im Rahmen. Außer dem obligatorischen Panflöten-Solo von Suff Daddy gab es nichts »Experimentelles«.
Dexter: Wir haben dieses Mal auch vor Augen gehabt, dass wir wieder auf Tour gehen und geschaut, dass die Sachen livetauglich sind. Das war ein bisschen anders als beim letzten Mal.

»Außer dem obligatorischen Panflötensolo von Suff Daddy gab es nichts ›Experimentelles‹.«

Brenk Sinatra
Dexter, auf »Palmen und Freunde« hast du viel mit der 808 gearbeitet – gab es dieses Mal bestimmte Sounds, die ihr bewusst einbezogen beziehungsweise ausgeklammert habt?
Dexter: Also, die 808 kommt auf dem neuen Album eigentlich gar nicht mehr so oft vor und wenn, auch nicht auf die Weise, wie man es vielleicht kennt. Es kommt halt darauf an, was du damit machst. Deswegen haben wir jetzt nichts kategorisch ausgeschlossen – jeder darf alles. Es gab auch gar keinen Grund etwas auszuschließen. Außer Panflöten. Das ist das schlimmste Instrument allerzeiten.

Warum betont ihr immer wieder, dass euch »Boom Bap« weder als Begriff noch als Genre zusagt?
Dexter: Dieser Begriff »Boom Bap« ist ja nur ein Versuch, etwas zu kategorisieren. Ich verstehe darunter halt diese 95er NYC-Schiene. Es gibt Leute, die das wirklich beherrschen. Aber für mich das ist ein negativ-behafteter Begriff. Auch diese 90er-Boom Bap-Partys – da gehe ich gar nicht hin. Selbst wenn ich die Musik dort nicht ›scheiße‹ finde – völlig im Gegenteil. Aber dieses hängengebliebene Image á la »Ich feiere nur Rap aus der Golden Era« ist mir zuwider.

Brenk, du hast gerade den Sampler »For The People« initiiert, dessen Erlös an Flüchtlinge im irakisch-syrischen Grenzgebiet geht. Wie aufmerksam verfolgt ihr die Geschehnisse um die IS?
Brenk: Ich beobachte das jetzt nicht aufmerksamer als eine Krise in der Ukraine oder so, wo man ja auch sieht, dass es Leuten nicht gut geht. Aber da mein Kollege in der kurdischen Botschaft in Wien arbeitet und mich um einen Auftritt dort bat, ich aber keine Zeit hatte, wollte ich irgendwie auf andere Weise helfen. Daraus entstand dann diese Idee.
Suffy: »For The People« ist aber auch als Album saugut geworden. Beat-Compilations sind ja meist ultralangweilig – ich höre mir die gar nicht an….
Brenk: Ja, ich finde es auch sehr ausgewogen. In Bezug auf Spendengelder bringt so eine Platte ja auch viel mehr als ein einzelner Auftritt. Dass Jakarta Records auch sofort dabei war und alles so schnell funktioniert hat, ist natürlich cool! Ganz viel Liebe an alle Beteiligten auf diesem Wege nochmal.

»Dieses hängengebliebene Image á la ›Ich feiere nur Rap aus der Golden Era‹ ist mir zuwider.«

Dexter
Weihnachten steht vor der Tür. Was trinken die Betty Ford Boys auf dem Weihnachtsmarkt?
Alle zusammen: BIER!
Dexter: Also ich muss sagen: Ich hasse Weihnachtsmärkte! Ich hasse die Enge und die Kälte und Glühwein mag ich auch nicht.
Suffy: Glühwein ist das Ekelhafteste überhaupt!
Brenk: Sowieso! Aber die kleinen Weihnachtsmärkte, wo nicht so viele Leute hingehen, sind cool. Nur die großen Touri-Weihnachtsmärkte sind scheiße!
Dexter: Du siehst: Wir sind keine Weihnachtsmänner.
Brenk: Ich habe mir gerade die Chevy Chase-Weihnachtsbox mit allen Filmen gekauft. Ich freue mich schon darauf die Weihnachten zu gucken.
Dexter: Chevy Chase? Wer ist das?
Brenk: Was? Das kennst du nicht?! Diese Filme,wo der das Haus abbrennt…?
Dexter: Ich kenne nur Charlie Chase, der in »Wild Style« auf dem Basketballplatz rappt. Ich bin real.
Brenk: Das war vor meiner Zeit.