Review

Brannten Schnüre

Muschelsammlung

Milder Wahn • 2021

Als träumerisches Konzeptalbum ist die »Muschelsammlung« dahergekommen, als vielgesuchter und ziemlich frecher Untergrund-Rebell hat sie sich nach ihrer Erstveröffentlichung 2017 auf Vrystaete entpuppt. Das unterfränkische Duo Brannten Schnüre führt hier den Hang des Hipsters zum Okkultismus zurück zu dessen Grundmotiven im christlichen Reliquienkult, in der nordischen Märchengeschichte und nun gut, auch zu Nietzsche. Zwischen zitternder Akustikgitarre und zeitlupehopsender Blockflöte dampft, wedelt, tutet, zwitschert und kehrt es aus Christian Schoppiks Instrumentenarsenal. Dazu tapert Katie Richs Sprechgesang mit einer Kindlichkeit, die überlegener klingt als alles Autoritäre, was ihm denkbar entgegentreten könnte. Tief im nostalgischen Bilderstrom scheinen an den seltsamsten Stellen niedlich verpackte Gegenwärtigkeiten auf. Vielleicht hilft ein Textbeispiel weiter: »Drei Seeigel / auf dem Stein / Schwarze Stacheln / in dem Bein«. Alles klingt bereit, ineinander über- und wieder zurückzugehen und die organische Fäulnis der Dinge erscheint als schöne Ambient-Utopie. Kurzum: Die Musik auf der »Muschelsammlung« kennt keine Angst, sich zu verlieren, und verliert sich allein deshalb in keinem einzigen Moment.