Songtexte sind keine Lyrik. So gerne ambitionierte Deutschlehrer und ambitioniertere Rapper den Rest der Welt vom Gegenteil überzeugen würden. Ohne Musik fehlt dem Songtext seine wichtigste Hälfte. Die große Kunst besteht also darin, einen Text zu schreiben, der sowohl mit Sound als nur für sich besteht. Womit wir bei der Compilation »Gespensterland« ankommen. Das Hamburger Label Bureau B beherbergt eine ganze Reihe an Künstlern und Gruppen, die sich an Albträumen, gewachsen in den Rissen des Asphalts der Bundesrepublik, per psychedelischem Folk, LoFi und Kraut abarbeiten. »Ach, Du große Nachtmusik« und »Futura Narkotica« sind vom Titel die Wegweiser, wohin Sound und Texte führen: »Lichterloh und Feuer frei, immer an dem Ziel vorbei.«
Diese Zusammenstellung gibt einen Einblick in eine neue Szene rund um Projekte wie Brannten Schnüre, Freundliche Kreisel, Kirschstein und Baldruin. Alles entschleunigt, stets im Wechsel zwischen Irr- und Wahnsinn. Entsprechend stellt sich bald der Verdacht ein, dass da auf dem Cover nichts aufgestellt, sondern was zu Grabe getragen wird. Denn bei all dem Deutschpop, all der Indie-Glückseligkeit, die sonst so in der deutschsprachigen Musik herrscht, ist »Gespenterland« eine Gegend der Schatten, der Kehrseiten, der Dunkelheit. Und ja, es ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Texte auch für sich stehen können. (Vgl. die verstörende Lyrik in »Spannung«!) »Ist es denn ein böser Geist, der so Krach macht und in den Wahnsinn treibt?« Nach diesen fünfzehn Tracks verwischt, wer hier der Geist und wer die Realität ist. Am Ende ist man nur froh, dass nicht die erste Handvoll Erde im eigenen Gesicht landet. Bewegender Sound, meisterhafte Kompilation – in Text wie Ton.
Gespensterland