Die Vorstellungskraft ist ein Vermögen der Entgrenzung. Wer fantasiert, setzt stets Limitationen außer Kraft – sei es die der Wirklichkeit, Normen oder Genre-Konventionen. So sind auch die »Mosaike der Imagination« von Johannes Schebler ein Sammelsurium an Überschreitungen. Unter seinem Alias Baldruin verzaubert der Wiesbadener seit den späten 2000er Jahren mit modernen Mitteln. Das Resultat ist schwer zu kategorisieren. Macht Baldruin Tribal Ambient? Elektronischen Neo-Folk? Weltmusik? Angesichts dieser Wandelbarkeit habe ich letztes Jahr versucht, Baldruins »Relikte aus der Zukunft« als Soundtrack für einen nicht-existierenden Fantasy-Film zu beschreiben.
»Mosaike der Imagination« ist ähnlich bunt. Auch dieses Album besteht aus cineastischen Kompositionen, die distinkte Szenen beschwören. Wir treffen auf Wegelagerer, Trommelkreise und Chimären. Doch wo »Relikte aus der Zukunft« ein Narrativ vorgab, sind die »Mosaike« fragmentarischer. Viele Kompositionen erinnern stark an Empyriums »Weiland«. Schebler teilt dessen Faszination für bukolisch-mystizistische Arrangements, übernimmt sogar etwas Flüstergesang. Doch Baldruin ist globaler gesinnt, offen für die elektronische Moderne – und frei von Volkstümelei. Vor über 200 Jahren gemahnte die Frühromantik in Jena: »Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.« In diesem Sinne ist Baldruin Neo-Romantiker: Er lässt sich nicht festlegen.
Mosaike Der Imagination