
Playboi Carti ist Rocky-Cosplaying im Mystic Styles-Mantel für die Tiktok-Generation. Ja, äh, fairerweise: der Opium-Kult ist für abgehalfterte Millennials wie mich schwer zu fühlen. Nachzuvollziehen ja, zu fühlen, nein. Dafür ist »I Am Music« zu kalkuliert, zu aufgebläht, zu memefiziert, auditiv und visuell. Wäre ich aber 22 und hätte mir gerade meinen ersten Rick-Owens-Bomber gekauft, wäre das eine 11/10, klar.
Florian Aigner
Und der Onkel kommt nochmal mit der Zweiten-Weltkriegs-Keule. So sympathisch wie Tagesschau-Berichte über Ikkimel und Körpersäfte sind, so unterhaltsam die Zeit-Kommentarspalte sich auch liest: Das Thema hatten wir vor 20 Jahren schon mit Lady Bitch Ray, Harald Schmidt und Charlotte Roche. Deswegen reiht sich »Fotze« in eine Empowerment-Debatte ein, die gar nicht neu ist, aber nach wie vor wichtig. Die Musik: viertrangig und wesentlich ideenfreier als bei Peaches.
Florian Aigner
Auch für Doechii fällt eurem Onkel was Halbgares ein: Jean-Grae-Texte + MC-Lyte-Delivery + Nicki-Minaj-Flow = »Alligator Bites Never Heal«. Das ist nicht geringschätzend gemeint, sondern die instant Beförderung in die Champions League.
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Man kann ja über DJ Koze sagen was man will, vielleicht sogar, dass die Alben immer so Melodie-verliebt und Fructose-lästig waren. Aber wer schafft es hierzulande sonst noch, über Jahrzehnte hinweg, mit britischer Edginess, französischem Laissez-Faire und kalifornischem Beatmakertum so zeitlose Popmusik zu machen? Eben.
Florian Aigner
Michael J. Bloods absolut ridikulöse Produktivität hält auch 2025 an. »Spaces In Between« vereinigt auf zwei Schallplatten Ideen für zehn. Theo’ismens aus der »Sketches«-Ära, ein Drumprogramming zwischen Mood2Swing, Autechre und Lukid, alles immer mit diesem rotzigen Manchester-Charme, der auch Oft-Kollabeur Tom Boozigm zu eigen ist.
Florian Aigner
Es ist ein Katzensprung von Shotta Tapes zu YOUTH, wobei Leos zweites Album wahrscheinlich eher in Radio-Shows statt Club-Nächten laufen wird. War das erste Album deutlicher von Dancehall beeinflusst, ist »Dissipating Heavily« jamaikanische Weightless-IDM, in a fucked up aber ultimativ vor allem ziemlich good way.
Florian Aigner
Als die ersten Civilistjävel-EPs über Low Company vor ungefähr sieben, acht Jahren rauskamen, hätte ich nie gedacht, dass Tomas Bodén sich stilistisch so festbeißen würde. Heute ist sein Civilistjävel-Projekt vielleicht das zuverlässigste in der Nische murky Dub-Techno, und »Följd« eine weitere, gelungene Feinjustierung.
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Dass es Voice Actor in der ursprünglichen Zusammensetzung nicht mehr gibt, ist natürlich eine mittelschwere Katastrophe, zu magisch waren viele, ah, die meiste Momenten ihres batshitcrazy 4h19min-Epos’ »Sent From My Telephone«. Jetzt also Noa Kurzweil solo mit Produzent Squu, dem man seine Post-Burial-Clubsozialisierung auf »Lust (1)« anhört, was dem Voice Actor Trademark-Sound willkommene neue Facetten gibt. Notorisch schwieriges zweites Album ge-aced, Respekt.
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Noch mal STROOM, noch ein Highlight diesen Monat. Gajek macht für Ziggy genau diese Momente, die Monat für Monat, Jahr für Jahr in seinen NTS-Shows im Kopf bleiben. Im Dienste des Großen Ganzen, aber immer extra-weird, mit repetitiven Voice Messages, tragenden Melodien, ertränkt in Moll. »Cutting Together Apart« ist im Osten entstanden. Ein Klischee; ein schönes.
Florian Aigner
Demdike Stare befinden sich weiter in ihrer Kollabo-Era. Nach den spröden, naturalistischen Zusammenarbeiten mit Jon Collins, ist »To Cut And Shoot« ambitionierter, artifizieller. Kristen Pilons Vocal-Beiträge sind zentral und doch auf gute Art zweitrangig – der Subbass macht die Ansagen. Wenn das hier ein Mood Piece sein soll, dann ist die Mood Asbest.
Florian Aigner
Heute mal Magaletti ›nur‹ kuratorisch in dieser Kolumne, aber »Transportees« ist die perfekte B-Seite für »To Cut And Shoot«: noch fragmentarischer und analoger als DDS & Kristen Pilon geht Marie De La Nuit ans Werk, indem sie Stimmen und Instrumente als Field Recordings neu kontextualisiert.
Florian Aigner
A Colourful Storm haben wir es zu verdanken, dass »Under The Arches« nicht eine Fußnote in Simon Fisher Turners Werk bleibt; es war für alle Eingeweihten ein nachhallender Gig in London, mit Turners Bruder und Time Is Away. Gekürt wird dieser Live-Mitschnitt von DEM DJ-Sprinkles-Remix.
Florian Aigner
Ich bin mir relativ sicher, »Exterior Lux« von Jac Berrocal / David Fenech / Vincent Epplay mal in meine Top-3 des Jahres gewählt zu haben, also diesen Kommentar am besten direkt mit dem ganzen Salzstreuer nehmen: Es gab schon bessere Alben des Trios. »Broken Allures« hat trotzdem eigentlich alles: Berrocals Tröten, die noir-ige, klaustrophobische Stimmung, die surrealen Vocals.
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PSI: Ich hasse Vincent Gallo, und damit hat er gewonnen. Als Kannibale in Trouble Everyday, als Downtown-81- und Goodfellas-NPC, als Proto-Weinstein in The Brown Bunny, als Warp-Overarchiever, Trump-Croonie und jetzt als Butterfly mit Harper Simon: vierzig Jahre und ich kann trotzdem nicht mit Gleichgültigkeit reagieren.
Florian Aigner
Dafür liebe ich ja Anika. Die ist auf »Abyss« definitiv nicht in a good place, aber wann war sie das schon? »Abyss« ist rockicccccch – also the real rockig, nicht im Sinne der No-Wave-Wiederholungen, die man von Anika ja durchaus schon kennt.
Florian Aigner
Das neue Youth Lagoon taucht hier noch auf, weil ich mich immer häufiger ertappe, in 2011er-Nostalgie abzudriften. »Rarely Do I Dream« macht das gut, die Motive zu wechseln, ohne sich zu weit raus zu wagen vom Safe Heaven »The Year Of Hibernation«.
Florian Aigner
Und was könnte sinniger sein, als die Mid-Life-Crisis mit Panda Bear einzuläuten, der damals mit »Person Pitch« quasi einer Generation Atease-Forumnutzern gezeigt hat, das Musik ja auch KUNSCHD ist. »Sinister Grift« ist natürlich leichter zu verdauen, aber immer noch die anspruchsvolle Quersumme aus den Beach Boys and Radiohead.
Florian Aigner