Aloe Blacc – Der Mensch lebt nicht vom Dollar allein

25.09.2010
Foto:Dan Monick Stones Throw Records
Jetzt ist Aloe Blacc der Durchbruch gelungen. Ein Gespräch über den Erfolg, Popmusik und Politik.

Und plötzlich ist alles anders. Gerade eben war Aloe Blacc noch der hochtalentierte, aber weitgehend unbekannte Underground-MC und -Sänger, der seit der High School Musik machte und dabei gerne auch mal in anderen musikalischen Gefilden wilderte, aber damit kaum Beachtung fand. Und plötzlich fragt dich deine Freundin, ob du ihr noch mehr Songs von diesem geilen Sänger besorgen kannst, den sie gestern im Fernsehen gesehen hat. Was den Unterschied ausmacht: Ein Hit, in diesem Falle I Need A Dollar, das klassische Soulstück, das als Titelsong der amerikanischen Comedy-Serie How to Make it in America läuft und Aloe Blacc auf einen Schlag berühmt machte. Der sympathische Kerl, der Mos Def zum Verwechseln ähnlich sieht, hat sich aber durch den schnellen Aufstieg offenbar nicht korrumpieren lassen.

Es ist fünfzehn Jahre her, nämlich im Jahre 1995, dass du begonnen hast, zu rappen. Jetzt hast du mit I Need A Dollar deinen ersten großen Hit gelandet. Fühlst du Genugtuung über diesen Erfolg, nach so vielen Jahren?

Aloe Blacc: Es fühlt sich wie eine Art höhere Gerechtigkeit an, nach all den Jahren endlich Aufmerksamkeit für meine Musik zu bekommen. Der Erfolg von I Need A Dollar zeigt ganz deutlich, wie hungrig die Leute nach guter Musik sind – man muss ihnen nur die Chance geben, sie zu hören. †¨†¨Legst du überhaupt Wert auf den Erfolg? Schließlich bist du auch ganz gut ohne ihn zurechtgekommen… †¨Es ist wirklich wichtig, die Chance zu haben, mit meiner Musik auch von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Ich denke, das ist eine Art von Respektbekundung, nicht nur für mich, auch für gute Musik an sich. Vielleicht gibt es auch anderen Leuten die Möglichkeit, bekannter zu werden, weil meine neuen Fans auch die Künstler kennenlernen werden, mit denen ich zusammenarbeite.

»Rap ist in lyrischer Hinsicht vielleicht nicht so politisch wie früher. Trotzdem ist Rap ein mächtiges politisches Instrument. Unglücklicherweise wird es von Leuten kontrolliert, die ihn für Profit und sinnlose Berühmtheit missbrauchen anstatt positiven sozialen Wandel zu propagieren.«

Aloe Blacc

†¨Reicht es dir, dass viele Leute nun deine Songs und deinen Namen kennen? Oder spielt der finanzielle Aspekt für dich auch eine Rolle?

Aloe Blacc: Naja, bisher hat sich der finanzielle Rahmen nicht sehr geändert, weil die Aufnahmen ja auch mit sehr hohen Kosten verbunden sind. Hoffentlich ändert sich das noch. In erster Linie bin ich aber tatsächlich froh, dass so viele Leute meine Musik entdeckt haben und ich mit ihnen meine Ideen über einen behutsameren Umgang mit unserer Umwelt, der Gesellschaft und der Politik teilen kann.

Dein Solodebüt Shine Through war 2006 eine bunte Mischung aus allen möglichen Musikstilen: Samba, Bossa, Calypso usw. Dein neues Album »Good Things« ist dagegen viel fokussierter auf einen bestimmten Sound, der sehr an die Soul-Ära der 1970er Jahre erinnert. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Aloe Blacc: Mit Shine Through habe ich mich der Welt als Solokünstler vorgestellt und ich habe die Möglichkeit genutzt, um meine Fans über alles zu informieren, was sie in Zukunft in meiner Musik an Einflüssen zu hören bekommen werden. Good Things ist nun das erste Kapitel in meinem Musikkatalog. Das nächste Kapitel wird HipHop mit DJ Exile sein, denn wir haben ein neues Emanon-Album am Start, das Birds Eye View heißt. Vielleicht wird das dritte Kapitel Salsa oder Bossa Nova – wir werden sehen. (grinst)

Du behandelst viele politische und gesellschaftliche Probleme auf dem neuen Album. Siehst du dich mit Good Things nicht nur musikalisch, sondern auch textlich in der großen Tradition von Marvin Gaye oder Curtis Mayfield?

Aloe Blacc: Ich denke, Musik kann nicht nur unterhalten, sie kann auch weiterbilden und informieren. Deshalb benutze ich meine Texte, um Dinge auszudrücken, die mir wichtig sind. Und mir ist es zum Beispiel sehr wichtig, dass die Unternehmen verantwortungsbewusster handeln. Sie müssen sich mehr darum kümmern, wie ihre Aktivitäten sowohl die Umwelt als auch unsere Gesellschaft beeinflussen. Außerdem ist es wichtig, dass die Politiker, die wir wählen, wirklich unsere Interessen im Auge haben und dafür sorgen, dass niemand ohne anständige Bildung, ausreichend Nahrung, gute Gesundheitsversorgung und ein Dach über dem Kopf leben muss. Es ist sehr wichtig, dass jedes Individuum erkennt, dass wir alle verantwortlich sind für die Erde und unsere Gemeinschaften und auf beides mehr Rücksicht nehmen müssen.

Sollte Rap deiner Meinung nach wieder politischer werden?†¨

Aloe Blacc: Rap ist in lyrischer Hinsicht vielleicht nicht so politisch wie früher. Trotzdem ist Rap ein mächtiges politisches Instrument. Unglücklicherweise wird es von Leuten kontrolliert, die ihn für Profit und sinnlose Berühmtheit missbrauchen anstatt positiven sozialen Wandel zu propagieren.

Deine früheren Sachen waren nicht so politisch. Gab es einen bestimmten Anlass für dich, über die Probleme der Schwachen zu singen? Möchtest du eine Stimme für die Stummen sein?

Aloe Blacc: Jeder Künstler leiht denen eine Stimme, denen niemand sonst zuhört. Deshalb hören wir alle ihre Lieder, schauen uns ihre Bilder oder ihre Filme an. Es gibt eben vieles, das gesagt werden muss, und manchmal brauchen wir jemand, der das für uns übernimmt.

†¨Was denkst du kann ein Musiker konkret verändern?

Aloe Blacc: Musiker können vor allem einen Dialog beginnen und Bewusstsein für Dinge schaffen, die in den großen Meiden meist vernachlässigt werden. Nicht wenige Künstler sind zu Aktivisten geworden und wir sehen ihren Einfluss daran, dass sich ihre Fans auf der ganzen Welt mit Themen beschäftigen, die uns alle angehen.

†¨Hat Barack Obama, der mit sehr vielen Vorschusslorbeeren in seine Amtszeit gestartet ist, deiner Meinung nach den Wandel, den er versprochen hat, eingelöst? Hat sich wirklich etwas spürbar verbessert, seitdem er Präsident ist?

Aloe Blacc: †¨Ich glaube, der wichtigste Wandel, den Obama gebracht hat, war es, die US-Amerikaner dazu zu bringen, sich wieder mehr für Politik zu interessieren und zu engagieren. Nichts wird sich schnell oder leicht verändern lassen, besonders, wenn man die vielen Widerstände bedenkt, denen Obama und seine Regierung ausgesetzt sind – ich denke da vor allem an die Leute, die ihn und die Veränderungen, für die er steht, offen bekämpfen. Ich bin aber optimistisch, dass er das in seiner ersten Amtszeit noch hinkriegt. Immerhin verkörpert er das Vermächtnis der Bürgerrechtsbewegung und des Kampfes für gleiche Rechte in den Staaten.

»Außerdem transportiert die Musik meine Message zu den jungen Leuten. Ich hoffe, ich kann populäre Musik machen mit starken Botschaften, die die Leute sowohl unterhalten als auch im Alltag unterstützen. Traditioneller Salsa schafft das. Reggae schafft das. Warum schafft es die aktuelle Popmusik nicht?«

Aloe Blacc

†¨Es heißt, es gäbe einige unveröffentlichte Alben auf deiner Festplatte. Was findet darauf statt?

Aloe Blacc: Meine unveröffentlichte Musik reicht von Indie Rock bis Bossa Nova, von experimentellen Acapella-Projekten bis zu futuristischer Soulmusik. Ich habe außerdem gerade ein Album von Maya Jupiter co-produziert, die traditionellen mexikanischen Son Jarocho mit HipHop, Dancehall und Samba verbindet.†¨

Im letzten Jahr hast du ein Projekt mit der japanischen Band Cradle Orchestra unter den Namen Bee realisiert. Wie kam es dazu?

Aloe Blacc: Ich habe Cradle vor ein paar Jahren kennengelernt, als sie mich gefragt haben, ob ich auf ihrem Album was machen möchte. Es hat sich eine richtige Freundschaft daraus entwickelt, als ich später in Japan war, um dort aufzutreten. Da haben wir uns entschieden, ein Album zusammen zu machen, auf dem die Ökologie im Vordergrund steht. Auf Open Your Mind geht es darum, was jeder von uns tun kann, um besser im Einklang mit der Natur und seinen Mitmenschen zu leben.

Was machst du neben der Musik noch so? Du hast mir in einem früheren Interview mal erzählt, dass du Seminare für Jugendliche veranstaltest…†¨

Aloe Blacc: Seitdem hat die Musik mein Leben völlig übernommen. Ich finde aber immer noch genügend Zeit, mich für Jugendliche zu engagieren. Ich habe zum Beispiel einige Wochenenden damit verbracht, mich in einem örtlichen Jugendgefängnis mit den Jungs hinter Gittern zu unterhalten, mit ihnen zu überlegen, wie sie ihr Leben verändern können, nämlich indem sie zuerst einmal das Bild von sich selbst in ihren Köpfen ändern. Außerdem transportiert die Musik meine Message zu den jungen Leuten. Ich hoffe, ich kann populäre Musik machen mit starken Botschaften, die die Leute sowohl unterhalten als auch im Alltag unterstützen. Traditioneller Salsa schafft das. Reggae schafft das. Warum schafft es die aktuelle Popmusik nicht?