Denzel Curry über den Neo-Soul der Neunziger und wie er ihn ins Heute versetzt

31.03.2022
Denzel Curry ist einer der interessantesten Rapper derzeit, einer der sich kontinuierlich weiterentwickelt. Jetzt ist sein Album »Melt My Eyez See Your Future« erschinenen. Wir hatten die Gelegenheit zu einem Gespräch.

Denzel Curry hat mit seinem fünften Album »Melt My Eyez See Your Future« die Platte der Stunde veröffentlicht – zumindest im US-Hip Hop. Auf keiner seiner bisherigen Veröffentlichungen klang der 27-Jährige bisher so geerdet und so selbstbewusst. Kein Wunder, dass Denzel Curry im Pressetext selbst hinterherschiebt, dass dies sein bisher bestes Album sei. Der in Florida geborene Künstler arbeitet sich in aller Offenheit an Gott, der Welt und sich selbst ab. Als offensichtlichste Einflüsse hielten Star Wars, asiatische Popkultur und der Sound der Soulquarians her. Zeit für ein Gespräch mit einem der (bekanntermaßen) freundlichsten Rapper im Geschäft. Über Anfragen bei Saul Williams und ?uestlove, wie viele Songs es nicht auf »Melt My Eyez See Your Future« geschafft haben und wann nun endlich dieses Album mit Flying Lotus kommt, von dem alle im Internet gerüchteweise gehört haben wollen.

Kurz vor der Veröffentlichung von »Melt My Eyez See Your Future« hast Du selbst gesagt, es sei Deine bis hierhin beste Platte. Woher weißt Du das?
Denzel Curry: Weil »Melt My Eyez See Your Future« keine Songs zum Überspringen hat. Ich weiß, dass es mein bestes Album ist, weil ich es bei den Tracks einfach fühlte. Im Gegensatz zu meinen vorherigen Alben, die ja auch gute Platte sind. Allerdings hätten manche Songs nicht auf diese Alben gehört. Vielleicht lag es an meiner Nachlässigkeit, vielleicht am damaligen Prozess, damit die Ideen funktionierten. Ein paar der Tracks wären lieber außen vor geblieben.

Wie viele Tracks haben es denn nicht auf »Melt My Eyez See Your Future« geschafft?
Denzel Curry:
Eine Menge, eine ganze Menge. Und das Verrückte ist ja: Eine paar Tracks sind richtig gute Tracks! Aber sie haben einfach nicht ins Klangbild gepasst. Irgendwann in der Zukunft werdet ihr sie hören. In der ersten Phase des Projekts habe ich »Worst Comes To Worst« und einen anderen Song mit Meechy Darko zusammengemacht – und habe den Song dann Meech gegeben, weil er eben einfach nicht auf »Melt My Eyez See Your Future« passte. Aber er passt klanglich perfekt auf sein Album.

Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit Saul Williams?
Denzel Curry: Das passierte in den Electric Lady Studios in New York. Als ich das Album mixte und an ihm arbeitete, wollte ich es richtig machen – ich wollte die Session dort machen, weil ich den Leuten die Soulquarians-Sache genau zeigen wollte. Die Soulquarians hatten einen riesigen Einfluss auf dieses Album. Wenn es also ein Studio in New York sein sollte, dann Electric Lady.

»Wie Questlove die Percussion anlegte, das wollte ich für mein Album. Es sollte sich anfühlen, als wären die Drums live, als bewegten sie dich.«

Denzel Curry

Und Saul Williams?
Denzel Curry: Wir gingen das Album gerade nach dem Mixen durch. Dann spielten wir »Mental« an, das damals noch keine zweite Strophe hatte. Ich wollte auch keine zweite Strophe hinzufügen. Aber dann dachte ich mir: »Weißt Du, wer sich an der Stelle gut machen würde? Saul Williams.« Mein Manager rief quer durch den Raum: »Verdammt ja! Wir werden schauen, dass wir das möglich machen.« Ich bin ein großer Fan von Saul Williams in »Slam« und »Coded Language« und seinen Sachen bei »Def Poetry Jam«. Alles in allem ist er einer meiner liebsten Poeten.

Apropos Soulquarians: Hast Du auch bei Questlove oder Erykah Badu angefragt?
Denzel Curry: Bei Questlove habe ich es probiert, bei Erykah Badu nicht. Ich habe sie zweimal getroffen. Einmal auf dem Coachella, dort legte sie auf. Das war 2017, da haben wir mit ein paar Leuten zusammen auch ein Foto gemacht. Das zweite Mal war bei der Beerdigung von XXXTentacion, an der wir beide teilnahmen. Das waren die beiden Male, die ich sie überhaupt gesehen habe. Ich habe ja nicht einmal wirklich mit ihr gesprochen.

Denzel Curry
© PH Recordings

Und zu Questlove hast du eine tiefere Verbindung?
Denzel Curry: Nein, das ist es nicht, ich liebe Erykahs Musik und ich liebe, was Questlove macht. Ich studierte, was er auf »Things Fall Apart« von The Roots gemacht hat, auf D’Angelos Album, auf Erykahs Album, auf Commons Album. Wie er die Percussion anlegte, das wollte ich für mein Album. Es sollte sich anfühlen, als wären die Drums live, als bewegten sie dich. Das nahm ich von Questlove mit. Und ich wollte ihn auf diesem Album. Als ich die erste Liste für die Produktion schrieb, stand sein Name darauf.

Japanische Popkultur und Anime hatten auch ihren Einfluss auf das Album?
Denzel Curry: Auf jeden Fall. Du hast Tracks wie »Sanjuro« und »Zatoichi« auf diesem Album – und Samurai-Filme halfen mir, diese Ideen umzusetzen. Ich schaute mir an, wie der Regisseur Akira Kurosawa Bewegungen choreographierte und zeigte es den Leuten, wenn sie ins Studio kamen. Das zeigte ich ihnen und die Pitchfork-Dokumentation über die Soulquarians. Wenn ich über den Samurai-Aspekt spreche – in »Sanjuro« geht es darum, wie Du Dich durch alles in dieser Welt durchkämpfst. Besonders als Rapper. Wir haben die höchste Tötungsrate! Das alles macht einfach Sinn. Meine Liebe für japanische Popkultur und Anime ist auch einfach ein Teil von mir.

Aber ein Zitat aus »Dragon Ball« hast Du nicht auf dem Album untergebracht, oder?
Denzel Curry: Nein, kein Zitat aus »Dragon Ball«, nein. Aber es gibt ein paar »Naruto«-Reverenzen. Zum Beispiel in »The Smell Of Death«. (Passenderweise von Thundercat produziert, Anm. d. Redaktion) Da heißt es: »Then pick the time to engage so you feel rage like Naruto in his sage mode.« Und auf »Melt Session #1« gibt es noch eine subtile Reverenz, die wahrscheinlich niemand mitbekommt: »Now almighty pushing through the pain.« Weil Pain ist ein Teil der Akatsuki und er hat das Rin’negan und sein Move heißt: »The Allmighty Push.« Ich benutze es allerdings eher im Sinne von: etwas durchzudrücken.

Reviews zum Künstler

Was planst Du für Deine künstlerische Zukunft? Was möchtest Du noch erreichen?
Denzel Curry: Grammy!

Ernsthaft?
Denzel Curry: Einen Grammy.

Aber warum?
Denzel Curry: Das will ich einfach. Das ist mein höchstes Ziel mit der Musik. Zuerst wollte ich der beste Rapper sein, nun der beste Künstler. Jetzt weiß ich, dass ich das Potential für den besten Künstler habe. Wie komme ich nun an diesen Grammy? Wenn ich das Ding habe, bin ich gemacht, dann bin ich entspannt.

Obwohl es auf deiner Platte viel um Schuld und Wut und Gott geht, Dein Sound auch sehr düster daherkommt, bist du ein auffallend netter Mensch. Warum?
Denzel Curry: Es ist ziemlich einfach ein beschissener Charakter zu sein. Und ich tue mein Bestes, um kein beschissener Charakter zu sein. Manchmal sehe ich mich schon so, glaub mir – aber ich bin lieber ein netter Mensch.

Weil das Gerücht ständig auftaucht: Wird es jemals ein gemeinsames Album von Flying Lotus und dir geben?
Denzel Curry: Oh ja! Auf jeden Fall. Ich wollte FlyLo auch auf diesem Album!

Warum hat es nicht geklappt?
Denzel Curry: Zu spät eingeplant. Das geht auf mich.

Aber ihr arbeitet konkret an einem Album oder es ist erstmal nur ein Plan?
Denzel Curry: Es ist erstmal nur mein Plan für die Zukunft. Ich würde da gerne mal mit ihm drüber sprechen. Ich bin mir sehr sicher, dass er dabei wäre – er schickt mit auch ständig Beats und ich werde schauen, welche mir davon taugen. Außerdem haben Thundercat, er und ich eine Verbindung zueinander. Es wird eines Tages passieren.