Interstellar Funk über eine Club-Musik, die sich der Einordnung entzieht

06.04.2022
Foto:© Dekmantel
Seit einer Dekade veröffentlicht Olf van Elden Schallplatten als Interstellar Funk. Auf Partys des Labels Dekmantel ist er ein gern gesehener Gast. Dort ist nun sein Albumdebüt »Into The Echo« erschienen. Wir trafen ihn zum Gespräch.

Seit mehr als 10 Jahren spielt Olf van Elden, alias Interstellar Funk, auf Dekmantel-Parties. Am 25. März veröffentlicht das Amsterdamer Label nun sein Debüt-Album »Into The Echo«. Ein Album, welches sich nicht auf ein Genre fokussiert, aber als Ganzes ein stimmiges Gesamtbild abgibt und die Geschichte eines talentierten Künstlers erzählt, der sich während der Pandemie dem Studio hingegeben und die Vielfalt der elektronischen Musik für sich entdeckt hat. Im Gespräch spricht der niederländische DJ über die Entstehung seines ersten Albums, die ersten Berührungspunkte mit elektronischer Musik und ab welchem Punkt man aufhören sollte, etwas zu verbessern. Wie alles mit dem Awakenings Festival anfing, welche bekannte Künstlerin van Elden Klavierunterricht gibt und von welchem Song 30 verschiedene Versionen existierten.

Olf, du machst jetzt seit knapp zehn Jahren elektronische Musik. Wie hat das eigentlich alles angefangen? Wann hast du realisiert, dass es elektronische Musik gibt?
Interstellar Funk: Mein Bruder hat früher in Amsterdam in einem Club namens Club 11 Partys veranstaltet. Das ist schon sehr lange her, bestimmt 15 Jahre. Mein Bruder veranstaltete dort Partys und mein Vater und ich sind hingegangen, um ihn zu unterstützen. Ich glaube, ich war damals 15 oder 16. Ich weiß noch, dass er mir zum Geburtstag ein Ticket für das Awakenings Festival geschenkt hat. Das war meine erste richtige Festivalerfahrung und ich verliebte mich direkt in die Leute und die Musik. Ich glaube, damit hat alles angefangen.

Und wie bist du dahin gekommen, selbst aufzulegen?
Ich bin zu meinem Bruder gezogen und er hatte einen Plattenspieler und Schallplatten. Zusammen haben wir dann viele Partys bei uns zu Hause gefeiert und da habe ich angefangen aufzulegen. Damals gab es noch keine CDJs, also habe ich versucht, passende Platten zu beatmatchen. Später fing ich an, zu Rush Hour zu gehen, um Platten zu kaufen. Dadurch, dass ich so oft hinging, lernte ich auch die Leute dort kennen und ging öfters auf Partys. Ich glaube, ich war 18, als ich meinen ersten Gig in Amsterdam hatte. Es war eine illegale Party in einer Location namens The Bunker, in Amsterdam Nord. Im selben Jahr habe ich auch in einem Club namens Flex Bar gespielt. Ich erinnere mich, dass ich so nervös war, dass ich eine Platte von einem Turntable nahm, mich umdrehte, um eine andere Platte auszuwählen und dann die neue Platte aus Versehen auf den Turntable legte, der bereits lief, anstatt auf den leeren…

Jetzt ist dein erstes Album erschienen… Wolltest du schon immer ein Album produzieren? Es war immer etwas, das ich im Kopf hatte, aber wegen der Auftritte hatte ich normalerweise nicht so viel Zeit im Studio. Erst als ich Vollzeit im Studio gearbeitet habe, hatte ich wirklich die Einstellung, die Zeit und den Raum, um mich auf ein Album zu konzentrieren. Es war immer ein Traum, aber ich brauchte die Zeit, um ihn zu verwirklichen.

Wieso Dekmantel?
Wir hatten geplant, 2020 eine 12inch zu veröffentlichen. Ich hatte bereits vier Tracks und wollte noch mehr Musik darum herum kreieren, um zu sehen, ob es als Album funktioniert. Am Ende hat es keiner dieser Tracks in seiner ursprünglichen Form auf das Album geschafft. Das mit dem Album war eine logische Entscheidung, weil die Leute von Dekmantel mich schon lange unterstützen. Ich spiele schon seit über zehn Jahren auf ihren Partys. Sie sind also gute Freunde und es machte Sinn.

Erzähl, worum ging es dir bei »Into The Echo« genau?
Mit »Into The Echo« habe ich versucht, ein Album zu kreieren, das nicht unbedingt in eine Schublade passt oder sich auf ein Genre konzentriert, aber Sinn macht, wenn man es als Ganzes hört. Natürlich ist es elektronische Musik und ich komme aus der Clubszene, aber für mich ist es wichtig, dass es mehr als nur Clubmusik und funktionaler Techno ist. Das ist genau das, was ich versucht habe zu schaffen: verschiedene Sounds und verschiedene Genres auf einem Album vereint.

Der Sound deines Albums ist breitgefächert: Wie hast du ihn gefunden?
Ich habe acht Jahre lang für den Plattenlabel und das Label Rush Hour gearbeitet. Dadurch, dass ich jeden Tag dort war und von allen möglichen Arten von Musik umgeben war, hat das meinen Sound definitiv beeinflusst und mir viele interessante Genres gezeigt, mit denen ich vorher nicht vertraut war. Beispielsweise afrikanische- oder brasilianische Musik, aber auch 80’s Wave. Ich denke, das ist etwas, dass immer weiterwächst und immer neue Richtungen finden wird, in die man gehen möchte.

Was ich mit dem Album und den Tracks zu erreichen versucht habe, ist, dass es mehr Storytelling ist als nur einfache Loops oder funktionale Musik mit Kicks. Für mich ist es sehr wichtig, dass es ein gewisses Gefühl von Schrägheit hat oder etwas, das man nicht direkt einordnen kann.«

Interstellar Funk

Welche Kriterien mussten die Tracks für dein Album erfüllen?
Was ich mit dem Album und den Tracks zu erreichen versucht habe, ist, dass es mehr Storytelling ist als nur einfache Loops oder funktionale Musik mit Kicks. Für mich ist es sehr wichtig, dass es ein gewisses Gefühl von Schrägheit hat oder etwas, das man nicht direkt einordnen kann. Ich habe immer versucht, viele Sounds zu etwas zu verarbeiten, das unverkennbar klingt. Ich finde es interessant, wenn man die Musik mag, sie aber nicht direkt zuordnen kann.

An welchem Track hast du am längsten gesessen?

Ich glaube, der Titeltrack des Albums, »Into The Echo«, hat am längsten gedauert. Der Track war im Grunde komplett fertig, aber ich hatte Probleme, die richtigen Drums zu finden. Daher hatte ich rund 30 verschiedene Versionen mit unterschiedlichen Drums. Ich habe versucht, das Ganze mit Rhythmen etc. zu verkomplizieren. Am Ende wurde mir jedoch bewusst, dass es bei diesem Track mehr um die Synthies und die Melodien als um die Drums geht. Also fügte ich eine wirklich einfache Kick, eine Hi-Hat und einen Rimshot hinzu und plötzlich war er fertig. Ich habe sehr lange gebraucht, um das herauszufinden.

Und welcher ging am schnellsten?
Die Tracks »Octave Echoes« und »Last Piece of the Puzzle« habe ich beispielsweise an einem Tag fertiggestellt. Ich glaube, 99 Prozent der Tracks wurden an einem Tag gemacht. Natürlich muss er danach noch angepasst werden, aber die Idee und alle Melodien kamen an einem Tag zusammen.

Wie war die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Künstlerinnen für dich?
Ich habe mit ein paar Künstler*innen zusammengearbeitet. Eine von ihnen ist Loradeniz. Ich habe während der Pandemie angefangen, Klavierunterricht zu nehmen und Loradeniz war meine Klavierlehrerin. Wir haben uns wirklich gut verstanden und sie ist eine sehr gute Musikerin. Wir fingen an, gemeinsam an der Musik zu arbeiten und dann hatte ich diesen einen Track und fragte sie, ob ich ihren Gesang dafür aufnehmen könnte. So kam der Track letzten Endes dann zustande.

Wer noch?
Die andere Künstlerin, mit der ich zusammengearbeitet habe, war JASSS, Silvia. Sie ist eine gute Freundin von mir und irgendwann kam ich mit dem Album und einigen Tracks nicht mehr weiter und sie lud mich ein, nach Berlin zu kommen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Wir haben zusammen an ein paar Tracks gearbeitet, aber es gab einen, der ihr wirklich gut gefiel und bei dem sie die komplette Idee des Tracks veränderte. Es war eine Art Ambient-Track und sie hat ihn in etwas völlig anderes mit Drums verwandelt. Daraufhin haben wir beschlossen, gemeinsam daran zu arbeiten.

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Gab es viele Situationen, in denen du nicht mehr weiterwusstest?
Oh, ja. Vor allem am Ende, als ich mit dem Label sprach und ihnen die Tracks, die Ideen für die Trackliste und die Reihenfolge der Tracks schickte. Sie sagten immer wieder »Es ist fertig« und ich sagte immer wieder »Nein, es ist nicht fertig«. Das hat eine Weile gedauert. Ich hatte all diese Tracks, die irgendwie das Potenzial hatten, auf dem Album zu sein, aber ich konnte sie nicht fertigstellen. Ich habe es wieder und wieder versucht. Dann habe ich eine kleine Pause eingelegt und mit einem neuen Track angefangen. Plötzlich hat alles gepasst.

Ab welchem Punkt, konntest du sagen »Jetzt bin ich fertig«, ohne daran zu denken, noch etwas zu verbessern?
Es gibt immer Raum für Verbesserungen, vor allem, weil es ein ganzer Prozess ist und man währenddessen auch neue Dinge lernt. Am Ende des Albums ist man ein besserer Produzent als zwei Jahre zuvor. Ich habe viele ältere Tracks durch neue ersetzt und das hätte ich im Grunde bis heute tun können. Man kann immer wieder etwas ändern, aber irgendwann fühlt es sich gut an und sie waren zufrieden damit. Ich war zufrieden mit dem, was ich in dieser Zeit gemacht habe und wahrscheinlich wird das nächste Album besser sein, aber im Moment war es gut so, wie es ist.

Du sagst, dass es während deiner Albumproduktion auch Punkte gab, an denen du nicht mehr weitergekommen bist. Was denkst du, ist das Wichtigste, das du für dich selbst gelernt hast?
Ich denke, dass ich mich in eine bestimmte Richtung entwickelt habe, nicht unbedingt weg von Clubmusik, aber mehr hin zu Ambient-Musik und Sachen, die ich vorher nicht gemacht habe. Das hat mich einfach mehr interessiert, als ich mit der Musik für dieses Album angefangen habe. Das ist etwas, woran ich angefangen habe zu arbeiten und woran ich auch weiterarbeiten möchte. Es ist eine neue Richtung, die ich während der Arbeit an diesem Album entdeckt habe.