Talib Kweli – Die Kunst, die Kreativität am Leben zu halten

18.02.2011
Foto:Duck Down
Zwischen Intellekt, dem schnöden Mammon und großer Kunst hin- und hergerissen, geriet Talib Kweli zu einem der sympathischsten und gleichsam authentischsten Künstler im Rapbusiness.

Wer 1997 die erste 12inch von Reflection Eternal in den Händen hielt, sollte sofort gemerkt haben, dass hier etwas grundlegend anders war: Keine gekünstelten Posen, keine aufgesetzte Ghetto-Attitüde, ein Plattencover, das einen Schnappschuss ziert, der mehr aussagt als jedes inszenierte Studiosetting. Da die enthaltene Musik das Ganze zusätzlich unterstütze, blieben Rapper Talib Kweli und Produzent Hi-Tek als Reflection Eternal auch nicht lange ein Geheimtipp und förderten so den gerade brodelnden Independent-Boom. »Ich wollte reich und berühmt werden, und natürlich eine Goldkette tragen. Als ich älter wurde, verschoben sich die Prioritäten, doch die Liebe zur Musik wuchs weiter und weiter«, erklärt Talib Kweli im Rückblick. Er hätte damals schlicht die gleichen Träume wie seine Altersgenossen gehabt.
Inzwischen ist sein fünftes Soloalbum, Gutter Rainbow, erschienen, Talib Kweli tourt regelmäßig um den Globus und hat sich durch seinen eigenen Stil als feste Größe in der Rap-Welt etabliert. Kanye West, Justin Timberlake, MF Doom, Mary J. Blige, Common, Nelly, The Roots, Quincy Jones, KRS-One und viele andere haben mit ihm zusammengearbeitet. Jay-Z und 50 Cent geben Kweli als einen ihrer Lieblingsrapper an. Doch das war nicht immer so, denn zunächst musste er seine anspruchsvollen Inhalte kompromisslos massentauglich werden lassen. Gleichzeitig wollte er der Welt beweisen, dass er auf eigenen Füßen stehen konnte. Doch wieso war ihm das überhaupt so wichtig geworden?

»Ich wollte reich und berühmt werden, und natürlich eine Goldkette tragen. Als ich älter wurde, verschoben sich die Prioritäten, doch die Liebe zur Musik wuchs weiter und weiter«

Talib Kweli
A (Black) Star is born
Der Beginn der Karriere von Kweli war eng mit der von Mos Def und Hi-Tek verknüpft. Kweli und Hi-Tek lernten sich 1997 im Zuge eines Features auf der LP Doom der Gruppe Mood aus Cicinatti, Connecticut kennen und schätzen. Im Winter des gleichen Jahres wurde Mos Def noch als Newcomer gehandelt; allerdings genoss er damals schon einen enormen Hype durch Features mit De La Soul und den Bush Babees, und als ehemaliger Teil der Urban Thermo Dynamics. Parallel dazu traten Reflection Eternal mit ihrer 12inch Fortified Life ins Rampenlicht. Und wer war auf dieser 12inch gefeatured? Mos Def. Dieser Fakt und der Independent Rap-Boom der späten 1990er Jahre, insbesondere forciert durch Labels wie Rawkus, brachten besagte 12inch und somit deren Protagonisten schnell zu enormer Popularität in der Rap-Szene. Durch Fortified Life kam es zu vielen gemeinsamen Live-Shows, welche wiederum in der Idee des Black Star-Albums mündeten. So fackelten auch Rawkus Records nicht lange und veröffentlichte zuerst 1998 Black Star von Mos Def und Talib Kweli, das eigentlich zuerst geplante Reflection Eternal-Album wurde hinten angestellt. Black Star avancierte schnell zum Klassiker und Mos Def und Talib Kweli wurden von nun an zumeist in einem Atemzug genannt. Auch Hi-Tek war als kontinuierlicher Beat Lieferant war weiterhin Teil dieser Gleichung.

Auch solo erfolgreich
2000 war Kweli weiterhin zufrieden bei Rawkus unter Vertrag: Zwar ließ der finanzielle Erfolg dort auf sich warten, doch gab es ihm als einziges Label die Gelegenheit seine Visionen zu verwirklichen. Zu dieser Zeit war er sich unsicher, ob er bereit sei für ein Soloalbum. Gleichzeitig hatte er aber Ideen, die er weder mit Black Star, noch auf einem Reflection Eternal-Album verwirklichen konnte. Zu dieser Zeit war Kweli auch in Projekte wie Lyricist Lounge, »Hip Hop for Respect« und Soundbombing 2 involviert, welche den Status von Rawkus und den seiner Künstler weiterhin zementierten. Die Solo-Karriere kündigte sich hier also langsam an, doch zuerst sollte endlich das Reflection Eternal-Debüt veröffentlicht werden.
Im Sommer 2000 kam dann endlich Train of Thought auf den Markt. Was war nun besonders an diesem Album? Das erste Mal war Talib auf Albumlänge eigenverantwortlich für die Lyrics. Unterstützt wurde er dabei durch die Instrumentals seines Partners Hi-Tek, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen guten Ruf als Produzent gemacht hatte. So stachen seine Beats damals hervor, weil er, im Gegenteil zu seiner Samples-nutzenden Konkurrenz, vermehrt Instrumente für seine Produktionen einsetzte. Auch dieses Album wurde zum Klassiker und auch dieses Album verschaffte Talib nicht das nötige Kleingeld, für die lang ersehnte Goldketten-Sammlung. Nun war er an einem Punkt angekommen, an dem seine inhaltlichen und technischen Qualitäten als Rapper außer Frage standen.

»Beautiful Struggle’ war 2004 seiner Zeit voraus, an manchen Punkten auch ein wenig zu ehrgeizig, doch es verschaffte mir endlich mehr weibliche Fans«

Talib Kweli
Nächste Schritte wagen
Dennoch oder gerade deshalb wollte Talib Kweil den nächsten Schritt wagen und sein Solodebüt forcieren, wodurch sich dann hoffentlich auch der finanzielle Erfolg einstellen sollte. So suchte Kweli bei Veröffentlichung seines ersten Solo Albums, Quality, wohl gezielt Produzenten wie Kanye West aus, durch die er sich den nötigen Erfolg erhoffte. Sein Plan ging auf und so wurde Quality aus dem Jahre 2002 zu einem finanziell erfolgreichen Album. Gleichzeitig bewies er der Welt, dass er auch ohne Mos Def und Hi-Tek ein ausgezeichnetes Werk zustande bringen konnte. Es folgten weitere Soloalben: »Beautiful Struggle’ war 2004 seiner Zeit voraus, an manchen Punkten auch ein wenig zu ehrgeizig, doch es verschaffte mir endlich mehr weibliche Fans«, so Kweli. 2006 folgte Liberation: »Während ich an Eardrum arbeitete, hatte ich ca. 100 Madlib-Beats, aus denen ich wählen konnte. Als die Aufnahmen zu Eardrum fortschritten, wurde ich das Gefühl nicht los, zu viele Beats von Madlib auf einem Album zu haben. Nach einigem Hin und Her dachte ich mir: Wieso eigentlich nicht? Also einigte ich mich mit Madlib auf ein Album nur mit seinen Beats und da uns die Wirren unserer beiden Labels zu kompliziert erschienen, entschlossen wir uns, Liberation Silvester 2006 als freien Download anzubieten.« 2007 erschien dann Eardrum, welches Talib als »vollendete Verschmelzung von Inhalt und Stil, den Juwelen in meiner Solokrone«, als »HipHop’s ausgewogenstes Album« bezeichnet. Zusammen mit Hi-Tek, dem Kweli stets verbunden blieb, erschien 2010 auch noch das zweite Werk von Reflection Eternal, Revolutions Per Minute.

Fesseln sprengen, kreativ bleiben
Nun ist mit Gutter Rainbows ein Album erschienen, das er genau wie sein Mixtape Right About Now, direkt an seine Fans richtet, wobei Kweli das Ganze als »verfeinerter, rauer und unabhängiger« anpreist. Der gegenwärtig Status von Talib Kweli ist offensichtlich hart verdient und so ist er einer der wenigen, die den schmalen Grad zwischen anspruchsvollen Inhalten und Massenkompatibilität sicher beschreiten: »Ich achte auf Trends ohne ihnen zu folgen. Ich bleibe mir selbst treu, ohne dabei in der Zeit stehen zu bleiben. Ich versuche kein musikalischer Snob zu sein, weswegen meine Musik sich nicht vor anderen zeitgenössischen Produktionen verstecken muss. Wenn man ständig weiter wachsen will, muss man die Fesseln sprengen, die einen beschränken. Tut man das nicht, so ist der kreative Tod vorprogrammiert und man kann sich einen regulären Beruf suchen, der Brot und Butter nach Hause bringt.«