Vinyl-Sprechstunde – A$AP Rockys »At.Long.Last.A$AP«

04.06.2015
In unserer Kolumne diskutieren zwei Personen eine auf Vinyl veröffentlichte aktuelle Schallplatte. Heute nähern sich unsere Kolumnisten über Pflegeprodukte, Zungenküsse und schwule Kleinkinder A$AP Rockys neuem Album an.

Aigner: iTunes sagt: ALLA 28 Plays, »How To Pimp A Butterfly« 18 Plays. Erklär’ mir mal zu Beginn warum das so ist.
Kunze: Kendrick macht man nicht mal so eben an; das ist Gewichte stemmen. Während Rocky halt echt der federleichte Shampoo-Geruch ist. Nach Rocky kann ich aufs Duschen und Zähne putzen verzichten und trotzdem für einen Raffaello-Werbespot gecastet werden.

Aigner: Aber: So ein Coen Brothers Western-Sample und diese Pathos-Hook, das ist halt ein schwieriger Einstieg.
Kunze: Aber wenn man das in der Gesamtheit sieht, machen solche Sounds halt krass Sinn.
Aigner: Ja, aber »Holy Ghost« ist trotzdem einer der Sachen, die ich entweder anders platziert oder komplett rausgelassen hätte. Überhaupt, Pointe vorweg: auf 12 Tracks gekürzt ist dieses Album ein Monstrum.

Kunze: Wir sollten erstmal über Gitarren reden. Für dich ja eigentlich ein so eindeutiges Thema wie die Frage, in welche Liga der HSV gehört.
Aigner: Gitarren ey. Hm, also ich verkrafte die ja schon und ich finde es in diesem trippy Kontext ok, aber wenn das auf »Holy Ghost« so Glaubensplattitüden sind, dann wirkt das krampfig. Aber es wird ja besser im Verlauf, ich bin nur das erste Mal mit einem Rocky-Opener unzufrieden. Vielleicht auch weil die letzten beiden Gamechanger waren.

Kunze: Aber wenn man das eben auf’s ganze Album bezogen sieht: Ist doch einfach ein toller Schritt von Purple Swag zu LSD-Mandalas in allen Farben.
Aigner: Ja, aber irgendwie komme ich bei den Mandalas erst bei »Fine Whine« an, »Holy Ghost« ist einfach so Broken Bells-Hippietum.
Kunze: Der Refrain ja, aber Dude rappt sich da bis zum diesen echt einen ab. Rockys Skills am Mic missachtet man eh zu oft, weil man halt nach seiner freshness fiended. Sein Style ist eh erhaben, aber der rattert da auch Reimketten runter mit den Besten von ihnen.

Aigner: Gutes Stichwort für »Canal St«. Der Track ist dann für mich die Erlösung weil alles beim Alten ist, für ein paar Minuten: Markennamen und Ignoranz und danach geht der Hades auf. Toll, toll, toll.
Kunze: »Canal St.« ist von der Stimmung so krass dieser Kurzfilm von Last Night in Paris Markennamen und Ignanz, aber mit diesem dickflüssigen Blut. Volle Kleiderschränke und leere Augen-Shit.
Aigner: Ja, so wunderbar.

Kunze: Ich finde es übrigens auch krass, wie er M.I.A einsetzt. So habe ich die noch nie gehört.
Aigner: Ich hab es erst beim dritten Mal gecheckt, dass die das ist.
Kunze: So verlaufenes Makeup statt knallbunte Jumpsuits.
Aigner: »Fine Whine« ist auch ein besseres Beispiel für dieses neue Songwriter (LOL) Selbstverständnis, das er sich von Ye abgeschaut hat, als »Holy Ghost«.
Kunze Ich finde das drückt voll aus, wie stark Rockys musikalische Idee inzwischen ist.
Aigner: Ja!

Aigner: Und dann kommt ja direkt der vermeintlich radikalste Schritt: »LSD«. Was sagst du dazu?
Kunze: Da gehts gar nicht darum, ob einem das gefällt. Es reicht einfach schon, dass der ein Rap-Album mit eigenen Ideen macht. Nicht wie z.B. der Bawse zehn Mal dasselbe Album. ###CITI: Nach Rocky kann ich aufs Duschen und Zähne putzen verzichten und trotzdem für einen Raffaello-Werbespot gecastet werden.:###
Aigner: Bei »Excuse Me« muss ich allerdings schon zugeben, dass ich da beim Refrain nur noch darauf warte, dass Richards Ashcrofts Bulimiearsch gleich The Drugs Dont Work trällert. Aber wie frisch er da in den Strophen wieder klingt, Mancrush forever.

Kunze: Wäre doch fresh?!Ich finde ein paar Doors-Orgeln und Country Boy on LSD-Riffs mehr hätten nicht mal geschadet.
Aigner: Jein, ich hatte ja noch eine andere Sache, die mich wirklich abgeturnt hat, diese Gorillaz-Hook auf »Pharsyde«.
Kunze: Ne, der ist geil.
Aigner: Ja, bis auf die Schlusshook halt.
Kunze: Das ist ja auch nicht Gorillaz, das ist halt straight up The Shins.
Aigner: Noch schlimmer, hahahaha.

Kunze: Und ich finde die Hook als Anschluss einen solchen Subbass völlig fair.
Aigner: Du findest ja alles geil, irgendwie. Das freut mich.
Kunze: Ne ne, was ich nicht gut finde ist z.B. »LPFJ2«. Allgemein diese Unkonzentriertheit; diese random ass Banger in dem, was ein Album sein will. Ich finde halt das geht musikalisch voll in die richtige Richtung, aber es ist halt noch unterwegs.

Aigner: Ich glaube das ist ein reines Sequenzierungsproblem. Diese trippy Selbstfindungsdinger werden immer wieder von der alten Identität eingeholt. Finde ich eigentlich als Konzept schlüssig, wenn er Zerrissenheit damit ausdrücken will.
Kunze: Ich finde das könnte hein Übergangsalbum in Rockys Katalog werden: Die alte Vision, die sichere Nummer, die gibts hier noch oft, aber es gesellt sich dieses Psych-Rap-Ding dazu. Beim nächsten Album wird man das erkennen: Dass ALLA halt voll zwischen »Long Live…« und, hm, wie könnte es heißen »I Looked In The Mirror On Drugs So Much I Am A Mirror Now« liegt.

Aigner: Hahaha! Aber es ist eh schon so krass wieviel da jetzt künstlerisch gegangen ist. Ich dachte halt vor vier Jahren: der kriegt doch nix gebacken, auch so in Sachen ins Business reinwachsen. Also jetzt nicht so Lil-Durk-fatal, aber dass der halt in diese Riege der drei, vier Typen gehört, die tatsächlich etwas versuchen, rap-wise.
Kunze Ja, das er in dieser Riege gehört ist halt schon so nuff said.

Aigner: »Jukebox Joints« macht dem alten Mann Aigner übrigens krass Gänsehaut. Ich glaube einer meiner drei Lieblinge hier. Und Ye Guevara / Saint Laurent / Zara ist halt auch wieder einer für die Ewigkeit. »WITH FRIENDS LIKE YOU WHO NEED FRIENDS«
Kunze: Und dieses kehlig röhrende Adlib von Ye. Da werden wir uns doch auf der Couch zu schütteln, egal was wir tun. Da kommt man nicht drum rum, das nach zu mimen.
Aigner: »ONE CHILD ONE CHILD«.

Kunze: Jahaha! Danach kommen halt zweimal Shins. Aber auf diesen Gorillaz in Bagdad-Beats – hey, aaaaalles cool.
Aigner: Ich steh auch auf »Max B«; nicht nur als Referenz, auch wie fluffig er da wieder klingt. Die Hook mag ich auch komischerweise.

Kunze: Glaubst Du eigentlich Danger Mouse hat diesen Joe Fox mitgebracht? Im Tweetjackenshop kennengelernt und ihn direkt mal zu den Aufnahmen mitgenommen?! Und Rocky, dieser offene Gutelaunevogel, hat die Tweetjacke aus unerfindlichen Fashion-Gründen abgefeiert und den Typ auf die Songs gelassen?!
Aigner: Hahahahaha!

Kunze: Außerdem bemerkenswert: Opa Saftig hat »Wavybone« produziert?!
Aigner: Ja ey, Großvater Saftig, hihihihi.

Kunze: Für Rocky muss die Pimp C Strophe doch auch sein wie für mich ein Zungenkuss von Jude Law: Erfüllung. Oh Gott….
Aigner: Zungenkuss, Petting, Scheide all in one.
Kunze: Hat Jude Law ne Scheide? Hahaha, achso, von der Ekelhaftigkeit der Wörter her. Schmußen!
Aigner: Haha, ja!

Kunze: Ey, Bun B. Der meint’s doch nur noch gut. Der ist so ein lieber Typ; der läuft inzwischen auf jeden Fall rum und verteilt völlig unpervers Süßigkeiten an die Kids.
Aigner: Hahaha, das ist so ein schönes Bild! ###CITI: ALLA ist vielleicht so als hätte ein wahnsinniger versucht den neuen »Mad Max«mit »Enter The Void« zusammenzubringen.:###
Kunze Aber danach ist das Album irgendwie zu Ende? Okay, er redet noch über Ms. Aber sonst?
Aigner: Das Mos Def Ding! »Better Things« ist auch nicht verkehrt, das ist wieder schön Purple Mandalas and thang. Ich habe mir ja noch »What’s Beef« und »Multiply« vor »M’s« gepackt, weil das Album mit 24343 Tracks noch nicht lang genug ist. Aber dann ist da diese längere Tuuuuurnt-Sektion gegen Ende. Ich überlege die ganze Zeit wie ich das Ding umstrukturieren würde, damit es maximal wirkt. Vielleicht der Klassiker: Doppelalbum machen, CD1 die ganzen Mandalas und auf CD2 werden M’s gezählt. Zweimal 40 Minuten. Fertig.

Kunze: Aber Doppelalben sind doof.
Aigner: Klar. Deswegen 3-4 Sachen streichen, »Multiply« und »What’s Beef« mit drauf, den ganzen Turnt– Kram in die Mitte, Übergang mit »Canal St.« und »JD« zu »Back Home« und mit Bun B raus ins Purpurne.
Kunze: Gut, so machen wir’s!

Aigner: Vielleicht nochmal zu dieser Kendrick Sache: ALLA ist vielleicht so als hätte ein Wahnsinniger versucht den neuen »Mad Max«mit »Enter The Void« zusammenzubringen, während Kendrick so einen Fellini gemacht hat, auf den man ganz doll stolz ist im Regal. Und da macht es auch irgendwie nix, dass bei Rocky mehr Fehler drin sind, weil ich so verdammt viel Spaß damit habe.
Kunze: «Enter The Void« finde ich viel zu hoch gegriffen. Für diese miserable Trippyness geht’s dem Schönen einfach, zum Glück, zu gut. ALLA ist ja echt so feuchte Träume um Wunderland. Getting head from Alice in a comfortable bed.

Aigner: Nö, weil der ja auch nur wirklich sehr platt ist, wenn man da mal die Ästhetik abzieht. Aber er macht Spaß weil er so geil aussieht. So wie Rockyyschatzi.
Kunze Du bist auch platt!
Aigner: Ich meinte jetzt auch nicht auf seinen Geisteszustand bezogen, einfach, dass man sich Enter The Void ja hundertmal lieber anguckt als einen Godard oder so, weil man faul ist und auch bedient werden will.
Kunze: Wer guckt sich »Enter The Void« gerne an? Mir ging’s danach den ganzen Tag nächsten nicht gut.

Aigner: Streichen, bringt nix als Schluss. Beziehungsweise hätte ich mich da jetzt eher auf Mad Max konzentrieren sollen.
Kunze: Sagen wir also: Eigener Sound-Entwurf, wenn auch noch stellenweise unausgegoren, aber: eigener Sound-Entwurf, und vor allem: Spaß!
Aigner: Sagen wir so: mein Jude Law.
Kunze: Dayum. Jetzt bin ich eifersüchtig. Wie ein stockschwuler Dreijähriger : Ich will beide haben, meins!