Zwölf Zehner – Jahresrückblick 2012 (Teil 2)

02.01.2013
Spät, streitbar, scheuklappenfrei, hart und herzlich, House und R&B, Hip-Hop, Trap und Post-Everything. Das Kolumnen-Duo plus Kunze schließt das Jahr 2012 mit einer Auswahl seiner 50 liebsten Tracks ab.

Alle paar Monate haut Sean Bowie aka T E A M S ein, zwei Tracks ins Internet. Den Rest der Zeit verbringt er mit L.A.-Szene-Stripperin und Brooke-Candy-Bekanntschaft Labana Babalon über Bong und LSD. Seine Songs sind folglich noch am ehesten als glamouröser Kiffer-Funk einzuordnen. Bestes (und zwischen all seinen Lo-Fi-Veröffentlichungen angenehmstes) Beispiel 2012 war »Love Distance«. Darauf samplet er den Boogie-Klassiker »Midas Touch« von Midnight Star, hackt ihn klein, stopft ihn in etliche Filter und lässt ihn wieder frei. Was hier noch fernab vom Breitbildformat und HD in irgendeinem Stoner-Universum abläuft, wünschen wir uns fürs nächste Jahr mit dem noch fehlenden Funken Ernsthaftigkeit – für dieses Jahr reicht dieser Potential-Nachweis für unsere Top50.

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Das mit »Techno Primitivism« betitelte Juju & Jordash-Album aus 2012, ist ein Techno-Monolith epischen Ausmaßes. Kein Wunder also, dass wir uns zunächst nur einig waren, dass daraus mindestens ein Track hier auftauchen müsse. Die Selektion an sich lief dann so: »Echomate?« »Dick! Aber warte!« »Ja?« »Shakshuka Dub, spiritual!« »Von mir aus, auch super!« »Track For David, son!« »Pick one, Tyson, Jordan, Game Six!« »Okay, dann Shakshuka!« Neben einem unheimlich dämlichen Faible für noch dämlichere Anglizismen unsererseits, verdeutlicht dies vor allem, wie grandios Juju & Jordash hier in die Breite programmiert haben, aber »Shakshuka Dub« ist mit seinen Spaghetti-Western-Akkorden, den Lee Perry-Referenzen, der Chicago-Bassline und diesen nervösen, aber dennoch immens groovenden Drums sicher mehr als nur eine Verlegenheitslösung.

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Was wir jetzt feststellen, ist musikjournalistisch schon ausgelutschter als Nicki Minaj Gags, aber nach »Rough Sleeper« dennoch notwendig: dieser Burial ist ein Getriebener. Er könnte den Rest seiner Karriere auf einer Pobacke absitzen, alle 2-3 Jahre ein neues Archangel veröffentlichen und vermutlich trotzdem die nächsten 10 Jahre sogar hängengebliebene The Hives Fans animieren seinen neuesten Track auf Facebook zu teilen. Aber so tickt Burial nicht. Als alle Jahresbestenlisten schon geschrieben waren, setzte er uns einen fast 14-minütigen Monolithen vor, eine Skizzensammlung, etwas woraus andere zwei Alben produziert hätten. Das ist im ersten Moment beinahe eine Tortur, zu schnell zerschellen diese wunderschönen Signaturmelodien wieder, so schleppend baut sich die nächste Skizze auf. »Rough Sleeper« ist präkoital, ein einziges Anfixen, eine fast überhebliche Demütigung des Fußvolkes, das dem großen Unbekannten doch eigentlich einfach nur die Füße küssen will und hier immer wieder aus der Hocke in den Stand schnellt.

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History repeating. Pünktlich zum Jahresbeginn veröffentlichte Omar-S mit Wayne County Hills Cops Part 2 eine Platte, die uns das ganze Jahr über begleitet hat. Ganz sicher. Man brauchte da kein Prophet sein, aber diese ganz simple Synth, die sich ab der ersten Sekunde unverwüstlich durch den Track drängt, der übrigens konzeptuell nahezu identisch ist mit dem 2011er Übertrance sie ist einfach zu verführerisch, als dass man ihr widerstehen könnte. Jahrescharts, ich höre dir trapsen.
Achja: So ganz sicher geklärt, ob es sich hinter OB Ignitt überhaupt um ein weiteres Pseudonym von Detroit’s Finest handelt, ist es nicht. Anyway, wer für diese Synthmelodien zu sorgen im Stande ist, dem fressen wir ohnehin aus der Hand.

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Man hätte es wissen können. Dass einem minderjährigen High School Dropout aus Chicago, mit fragwürdigen Modepräferenzen, die Absolution von Weltöffentlichkeit, Kanye und Jimmy Iovine nur bedingt in der Adoleszenzphase hilft, man hätte es verdammt nochmal wissen können. Nun hält sich Chief Keef also für »Kobe«. Am Beat ist natürlich Young Chop und wir haben seit dem frühen Soulja Boy selten eine ähnlich geil grenzdebile Selbstüberhöhung gehört. Da wird zur immer gleichen Pointe hard gestuntet, die Damenwelt bekommt so viele Slam Dunks, dass sie an Freiwürfe grenzen (was auch immer das bedeutet) und ein ausdifferenziertes Geldscheinsystem für die vollen Hosentaschen präsentiert. Ach Rap, du kannst so einfach sein und wir mögen dich dafür.

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Roland Kaiser Wilhelm und Sebastian Ingenhoff musizieren gemeinsam als Camp Inc., sind vor allem im Kölner Raum für euphorische Auftritte mit analogen Klangerzeugern aller Art berüchtigt und veröffentlichen ihre Klangerzeugnisse selbstredend bisher nur auf Musikkasette Zur feierlichen Einweihung ihres Soundcloud-Accounts ließen sie sich im November nicht lumpen und boten daher einen ihrer bisher besten Tracks feil, der sich mit keinem leichteren Thema als der Kastrations Casanova beschäftigt. Humor haben sie also auch. »Casanova’s Castration (in The Castro)« jedenfalls pendelt zwischen hedonistischer Disco und düsterem Acid-Tempel, bietet dem sphärischem Sample zu Beginn viel Raum, deutet mit einem ominösen, nach Mönch-Chor klingenden Hall das Unvermeidliche an und überführt Casanova mit Acid-Ekstase letztlich ins Eunuchen-Zeitalter.

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Dieser Jason Letkiewicz wieder. Kaum dachte man, er hätte stilistisch alles durch, kommt er nach allesamt auf höchstem Niveau vorgetragenen Chicago House (Steve Summers), Industrial (Two Dogs In A House), French House (Malveaux) und Protohouse/Wave (Innergaze) Reminiszenzen dieses Jahr auch noch mit einer astreinen Ambient Platte als Alan Hurst um die Ecke. »Parallel Sensations«, das Titelstück, ist mit das aufgekratzteste und beatlastigste einer traumhaft unaufgeregten Platte und klingt ein bißchen wie eine entschlackte Version der besten Momente seines Innergaze-Projekts mit Aurora Halal. Wenn nur alle so stilsicher mit der Vergangenheit umgehen könnten!

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Julia Holter ist genial genug, um verschrobene Halb-Melodien ins Nirvana zu zwirbeln, aber inzwischen eben auch mutig genug, um einfach Pop-Musik zu machen. Mit dieser Kombination hob sie sich mit ihrem Album »Extasis« von Weirdo-Pop Kolleginnen wie Maria Minerva und Laurel Halo ab, ohne dabei im Blümchen-Bett zwischen Feist-Alben und Neon-Zeitschriften einer Germanistik-Studentin zu landen. »In The Same Room« ist der poppigste Track der Platte; seine Komposition, Stimmeinsatz aber ist schließlich doch mehr für den Musik-Ästheten, als für den Sommerhit-Scout.

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2012 musste man als Rapper kein silbenjonglierender Poet sein, um Erfolg zu haben. Auch Trinidad James kam einfach mit Goldzähnen, Pelzschuhen und Zepter aus irgendeiner Trap in Atlanta stolziert, hat ein paar 8-Silber aufeinander gereimt und war das nächste große Ding. »All Gold Everything« klingt als hätte er sich kurz mit koksverkrusteten Fingernägeln aus den Nase gepopelt, dazu Retro-Synth-Pads und fertig ist einer der infektiösesten Rap-Hymnen des letzten Jahres. Inzwischen wärmt sich Lebron James zur Line pop the molly, I‘m sweatin auf und Gerüchte tauchten auf, dass Trinidad James samt 2-Millionen-Dollar-Vorschuss bei Def Jam untergekommen ist. Der Typ wird 2013 ein Wort mitzureden haben.

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Wieder Detroit, wieder Alchemie. Ron Cook, früher als Reckless Ron aktiv, wird von unserem persönlichen Lieblingsbusfahrer Leonard “Big Strick” Strickland animiert etwas zu seinem Labelsampler/Familienförderungsprojekt Resivior Dogs beizusteuern. Und Ron liefert. Während gerade Big Stricks Produktionen an Komplexität gewinnen, hält es Ron Cook simpel. Kick, Snare, Bassline – alles sitzt, wo es sitzen muss, auch die kleine Synthmelodie könnte vermutlich ein Vierjähriger ad hoc nachspielen. Trotzdem oder gerade deswegen: »Night Moves« ist, neben »Speck’s Jam« (dazu gleich mehr), der beeindruckendste Beweis für die wundervolle Simplizität dieses Dings namens House.

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Ganz ehrlich: »Between Friends« macht wütend. Wütend darüber, dass sich Flying Lotus seit Jahren so tief in diesem undurchdringlichen Post-IDM-Dschungel vergräbt, Jazz redefinieren will und am liebsten Thom York heiraten würde. Ja, das resultierte auch in großartigen Alben, auf denen es Fly Lo besser gelang seine Hip Hop- Wurzeln in etwas völlig eigenständiges zu übersetzen als nahezu jedem, auf dessen Konto nicht »Endtroducing« ging. Aber: »Among Friends« zeigt auch, dass es öfter mal Beats im herkömmlichen Sinne sein dürften. Earl Sweatshirt schludert sich mit viel zu viel Distortion und Hall durch Lotus’ Prince-Paul-für-2012-Instrumental und dass in den gut drei Minuten auch jemand namens Captain Murphy auftaucht (und später kam noch mehr!), hat man sofort wieder vergessen, aber allein dieses kurze Intro-Loop ist schon besser als 90% der diesjährigen Arbeitsnachweise der ganzen Realkeeper.

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Dass »The Lost Transmission« nicht noch höher chartet ist wohl der Tatsache geschuldet, dass es uns zum Jahresende erschlagen hat. Einfach gesagt: Es blieb nicht die nötige Zeit, dieses erdrückende, verquere Werk von Jamal Moss aka Hieroglyphic Being in den Kontext zu rücken, einzuordnen, ihm Raum zu geben, die Luft zum Atmen quasi, wie die/wir Kölschen sagen. Geradlinig stampft hier die Kickdrum stoisch und ununterbrochen nach vorne und wird begleitet von einem unkontrolliert an den Reglern zerrenden Schamanen, der die störenden Frequenzen gedankenverloren über den Anschlag schleudert, ehe er ein wenig müde der Melodie Einkehr gebietet. So weit so gut. Das mag im Entferntesten noch an Theo’s Capritarious 7 erinnern, dem ein weiser Youtube-Kommentar schon weltmännisch und weitsichtig bescheinigte: He is one of the few that can make silly stabs and raw drums sounds too fucking cool. Deutlich macht »The Lost Transmission« aber auch, dass im Kalenderjahr 2012 eben Jamal Moss der bessere Theo Parrish war.

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Zugegeben: wer vor fast 20 Jahren seine Cornflakes zu Illmatic gegessen hat, könnte einen gewissen Drang verspüren Yung Simmie die Rotzlöffel langzuziehen. James Joyce he is not, auch nicht auf »Florida Nigga Mentality«. Ok, aber wie das dieses Jahr so häufig lief beim Raider Klan: düster-bolzender Beat mit obligatorischen, mehr oder minder obskuren Südstaatenrefenzen, ungefilterte Texte irgendwo zwischen Samenstau, Ignoranz und pubertärer Trap-Romantik, vorgetragen in einer schnoddrig-uneleganten, aber vor allem unprätentiösen Delivery: die vermeintliche Deevolution gängiger Hip Hop Codes machte dank des Raider Klans 2012 noch mehr Spaß als zuvor bei der Wolf Gang. Und wer es anders brauchte, konnte ja den Youtube-Kanal wechseln, es gab da ja noch diese Typen aus L.A.

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King Britt muss die letzten zwei Jahre Grundsätzliches an seiner Work-Life-Balance verändert haben, ab ins Spa oder zum Joga, denn all jenes Material, das er seitdem unter dem Projektnamen Flohston Paradigm veröffentlicht, strotzt nur so von Energie, Dynamik und Ideenreichtum – so viel erfrischenden Output war man von umtriebigen Tausendsassa aus Philadelphia seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gewohnt. Das scheint auch den immerhippen Jungs von Hyperdub aufgefallen zu sein, die Britts Adventures in analogfetishism gleich für mindestens eine EP weggesignt haben. Hier brillierte Britt gleich zu Beginn mit dem skizzenhaften »Chasing Rainbows«, das nach einem kurzen Vorlauf von zwei Takten verführerrischen Midtempo-Electro-Breaks den Hörer gleich in die Vorzüge seines Maschinenparks an Vintagesynthesizern unterweist. Den Verstärker auf Anschlag gedreht, verändert Britt die einfache Bassmelodie des Tracks nur marginal in der Tonfolge, unterlegt sie aber mit dermaßen viel Power in der Kompression, dass die Zimmerschränke bereits im niedrigen Dezibelbereich zu wackeln beginnen.

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Wie oben bereits erwähnt: House kann so einfach sein. Dachte sich Levon Vincent auch und veröffentlichte mit» Speck’s Jam« Ende 2012 endlich den veritablen Nachfolger seines 2011er-Konsenshits Man Or Mistress So einfach ist es dann aber doch nicht. Denn was zu Beginn dank einfachstem, wirklich einfachstem! (und so verdammt sympathischen), sich an der Endlosschleife ergötzendem Bassakkord anmutend vor sich hertreibt, wandelt sich im Fortgang des Tracks zu einem nonchalant trübsinnigen Dub (auf den Moritz von Oswald in seiner Hochphase mit väterlichem Eifer sicherlich sehr stolz gewesen wäre), der am Ende dank Morricone-Spaghetti-Anleihe doch noch die Kurve kriegt. Tarantino ruft, Vincent folgt.

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Als John Talabot vor drei Jahren mit Africa, Naomi oder Sunshine in imposanter Manier auf sich aufmerksam machte, war die Verblüffung groß. Heute noch versteht es der Spanier wie kein Anderer auf seinen Produktionen den Groove kontinuierlich voranzutreiben, ihm peu a peu in geringen Dosen immer weiter neue Elemente hinzuzufügen um am Ende des Stückes ein glorreiches zu Finale feiern. Es sind diese wonnigen Winzigkeiten, die auch mit dem Ausnahmestück »So will be now…« seines Debütalbums »Fin« auch weiterhin für Verzückung sorgen. Unnachahmlich nämlich, wie Talabot gleich zu Anfang den Hörer bewusst vor den Kopf stößt und das falsch editierte Vocalsample im Loop mit einer Kickdrum auf dem Störgeräusch auflöst. Ein Nerd mit Gefühl und einem unheimlichen Gespür für Details, dessen Album wir gleich mit zum vielleicht besten des Monats ausrüfen möchten.

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Gunplay besetzt in Rick Ross’ Maybach Music Posse eine allzu klassische Position: random batshit crazy dude, die Type also, an die sich alle erinnern, die aber gleichzeitig um musikalische Anerkennung kämpfen muss, gerade weil das Image alles überlagt. Nun gut, Swastika-Tatoos, ungegelenkes Leitwolfgeschubse, ein Habitus, der Tuco Salamanca und Tony Montana zurechnungsfähig erscheinen lässt und mehr Unrat auf dem Kopf als Afu-Ra: wundern muss sich Gunplay darüber wirklich nicht. Aber, um es mal im Straßen-Jargon zu halten: dude can spit. Egal, ob er einen der drei besten Kendrick Lamar Tracks des Jahres trägt, A$AP Rocky kurz vor Weihnachten schwindlig rappt oder auf »Bogota« einer Beatwalze paroli bietet, die ihresgleichen sucht. Alles andere ist halt WWE.

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Ab-Soul war mit seinem dritten Studioalbum sein erster Frühling vergönnt, dem Hype um seine Black Hippy Kollegen Kendrick Lamar und Schoolboy Q sei Dank. Die machen den »Black Lip Bastard Remix« dann auch zu dem, was er ist: Ein Brett. Kendrick erzählt, was er unbedingt noch von Rihanna braucht (es ist keine Butter) und Q blökt seine Vorliebe fürs Brüste-Nuckeln hin und reißt damit mehr mit, als die letzten Alben von Nas und Brother Ali zusammen. Das alles passiert über einen Beat, der von Drum-Rolls und Piano dominiert wird und klingt, als hätte sich der mittelreife Dr.Dre und J.U.S.T.I.C.E League zusammengetan.

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Da war er endlich, der große Pop-Moment im manchmal anstrengend angestrengten Hippos In Tanks Universum. Sicher, Hype Williams und Laurel Halo sind brillant darin, Pop zu zitieren und gleichzeitig zu dekonstruieren, aber insgeheim freut man sich dann doch am meisten, wenn auf eine satte P-Funk-Bassline tatsächlich auch mal ein dumm-dreister Refrain folgt. Gimme, gimme that I Kontact, gimme gimme that I Kontact – Musik kann so einfach sein. Und in einer guten Welt spielt der DJ danach I’m A Slave 4 You.

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Ron Morelli führt sein kleines New Yorker L.I.E.S.-Label scheinbar nach folgendem Prinzip: Auf eine Maxi eines mittlerweile etablierten Künstlers (Legowelt, Steve Summers, Maxmillion Dunbar) folgt eine 12inch eines vielversprechenden Talents. Willie Burns, Xosar, Terekke und dann schliesslich Svenaglisghost. Ein weiterer analoger Mofo, nach dessen künftigen Releases wir uns schon die Finger lecken. »Deep into memory«, die A-Seite seiner jetzt erschienenen Debüt-Maxi Mind Control, zieht uns mit einer stoischen Kickdrum sofort in den Bann und entfaltet auf fast neun Minuten Achterbahnfahrt offener Hi-Hats, psychadelischer Effekte und vor allem seiner prägnanten Bassline eine sagenhafte Sogwirkung. Ein halluzinogener Roland-Trip, der bereits auf Youtube tief in die Synapsen vordringt. Aber kids, don’t try this at a club.

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2012 und ja, wir wiederholen uns. Neben Omar-S, der Future Times-Posse und The-Dream hatte auch Funkineven immer wieder ein Abo für diese Kolumne. Waren seine hier masturbatorisch gefeierten Tracks meist rohe Acid-Jams, ist »Chips« allerdings eine etwas andere Baustelle. Klar, auch hier rumpeln die alten Drummachines, aber alles wird dominiert von diesem brillant extrahierten Sample der gleichnamigen TV-Serie, das Funkineven immer und immer wieder loopt, choppt, stoppt und damit ein bißchen so klingt, als hätte Gene Farris 1996 den Prog-Rocker in sich nicht weiter unterdrückt. Monaten zuvor bereits in jedem Funkineven-Set gehört, verzweifelt darauf gewartet, war die Platte im Februar endlich da und Okraj und Aigner freuten sich kollektiv einen Ast ab. No escapin’ this, der Mann hatte 2012 den Midas Touch.

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Dass die erste Single aus dem später erschienen G.O.O.D. Music Album auch ein Produkt der Watch The Throne Tour ist, konnte man im April als Spekulation abtun, wenn man sich aber vor Augen hielt, wie sehr sich Niggas in Paris bis dahin verselbstständigt hatte. Da überrascht es gar nicht so sehr, dass Yeezy die dort zur Schau gestellte, auch 2012 von Lex Luger dominierte Trap-Ästhetik mit »Mercy« auf die Spitze treibt. 808s, Patois-Versatzstücke, Lamborghini-Lifestyle in der Chopped & Screwed Edition, eine für Kanyes Ansprüche höchst simple Melodie und darüber die gesamte G.O.O.D. Music-Posse inklusive dem aktuellen talk of the town 2 Chainz. Sollte Ron Artests zur gleichen Zeit zelebrierter Ellbogen-Cripwalk einen Tanz inspirieren, »Mercy« wäre der Soundtrack.

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»808, 303, 707 & Paris Brightledge on vox. Uncompromising acidic bass music for DJs & dancers«. Und für unser Kolumnistenduo. Denn mehr bedarf es gar eigentlich nicht, um uns in Verzückung zu versetzen. Was der Pressetext hier knackig umschreibt, ist dann wahrlich kompromisslose House Music ihrer originären Art, wie sie mit beschriebenem Hilfsmittel auch schon zu ihrer Geburtsstunde komponiert wurde. Zugegeben, gerade 2012, dem Jahr in dem der Retrowahn allerorts auf die Spitze getrieben wurde, ist das sicherlich nichts Neues. Aber diese Bassline. Diese Bassline! Nach exakt 3:03 Minuten Drummachinegestolper windet sich diese heimtückisch um die brachialen Kicks und Claps und nimmt unbarmherzig ihren Lauf. Man sollte anmerken, dass es den ominösen Engländern abermals gelingt, die Chicago-Legende Paris Brightledge auf ihrem Track zu platzieren. Das mal löblich erwähnt und dankbar angenommen. Das ist es aber nicht. An Paranoid London besticht vor allem diese ignorante Attitüde, alle zwei Jahre mit einer rotzigen 12inch aufzukreuzen, sich mit einer künstlich knapp gehaltenen Auflage den Verkaufswegen komplett zu verweigern und mit der Rohheit ihrer Tracks das ganze System dieser ganzen 707-Opportunisten, die wie Pilze aus dem Boden spriessen, komplett zu zerbersten. Habe ich es schon erwähnt: Diese Bassline!

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Life for me is just weed and brews! Eine punkigere Attitüde hat kein derart poppiger Rap-Song sonst 2012 zum Kern gehabt. »Hands On The Wheel« bringt alles mit, was ein Rap-Song an Crossover-Potential braucht. So musste man sich Ende des Jahres fast wieder schämen, weil auch die falschen Leute auf den Song steil gegangen sind. Wir lassen versuchen hier mal, alle Ehrenkäsigkeit bei Seite zu lassen und halten fest: Die Hook, zusammengesamplet aus dem »Pursuit Of Happniess«-Remix der Folk-Sängerin Lissie und die Strophen in der sich Schoolboy Q und A$AP Rocky ungewohnt energiegeladen die Double Cups aus den Händen reißen – das hat gezündet, zündet und wird weiterhin zünden!

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Die L.I.E.S.-Katalognummer #10 war wieder so eine Sache, für die man einen langen Atem brauchte. Von Labelchef Ron Morelli vor über einem Jahr bereits in seinem Beats In Space Set gespielt, warteten wir Monat für Monat darauf, dass Steve Moores verquere Techno-Odyssey »Ancient Shorelines I« endlich Platz finden würde im hektischen L.I.E.S.-Schedule. Im Novbember dann, kriegen wir was wir wollten. Eine artifizielle Synth-Melodie dominiert die acht Minuten, erst nach gut drei Minuten stellt ihr Moore weitere paranoide Akkorde zur Seite. Die stoischen Kickdrums sind in der zweiten Hälfte das einzige Element, das die immer drastischer werdende Bladerunner-Atmosphäre durch ihre Gemächlichkeit etwas erdet. Siebeneinhalb Minuten steuern wir so auf die Katastrophe zu, diese jedoch bleibt aus. Die Snare, auf die wir so lange gewartet haben – Moore gönnt sie uns nicht. Stattdessen löst er gen Ende tatsächlich alles in eine Vangelis-Dystopie auf. Radikal, bösartig, L.I.E.S.

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