Review

1UP Berlin

One United Power

Molotow • 2012

»Hey, ich war gerade in London, überall 1UP Pieces. Danach sind wir weiter nach Paris, wieder überall 1UP.« – »Ja, hier in Berlin haben die auch alles voll gebombt!«. In den letzten acht Jahre dürfte es solche oder ähnliche Telefonate des Öfteren gegeben haben, denn die Graffiti Crew 1UP aus Berlin sammelte fleißig Kameras, Festplatten und Bildmaterial von eigenen Sprüh-Aktionen in z.B. Kuba, der Türkei, Rumänien, Thailand, Brasilien, Marokko, Indien – sagen wir auf Planet Erde. Daraus sollte zunächst ein hoch qualitativer, eigentlich kurzer Film entstehen, der all die Schwächen typischer Graffiti-Streifen vermeidet: Verwackelte Bilder, mieser Sound, Endlos-Aktionen. Herausgekommen ist jedoch eine mehr als vierstündige Dokumentation der Reisen, Werke und Techniken, mit denen gearbeitet wurde. Die Jungs von 1UP vermitteln bei ihren vermutlich durchgängig illegalen Aktionen ein entspanntes Gefühl von Freude an der Sache. Irgendwann wirken die eingefangenen Impressionen und Gestalten abseits der Pieces und Characters jedoch interessanter, weil sich die prinzipiellen Handlungen wiederholen – Züge, Bauwerke, Frauen und so ziemlich alles andere mit so ziemlich jeder Art von Farbe anmalen. Dennoch stechen einige Momente durch ihre dreiste Leichtigkeit hervor, wie z.B. verbotene Wandgestaltung mit Hilfe von Regenschirmen inmitten einer Menschenmenge oder Neu-Verzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Bahnarbeiter-Bekleidung samt Farbutensilien in der dazugehörigen Mülltonne. Während all dem genießt die Crew scheinbar große Sympathie bei Passanten und so helfen auch schon mal kubanische Polizisten oder ganz normale Leute bei der Arbeit. Wir werden Teil von Verfolgungsjagden durch Dritte, die etwas gegen die unangeforderten Bemühungen von 1UP haben; aber man sieht auch Bahnarbeiter, die gemütlich mit der Crew Tee und Gebäck in einem Yard genießen. Ein flüchtiger Bekannter in Kopenhagen bringt die allgemeine Stimmung wohl auf den Punkt: »Welcome to Copenhagen, fuck up Copenhagen!«. Bei all diesem Treiben ist die Auswahl der Untergründe manches Mal beeindruckender als die Pieces selbst und manche Marketingagentur könnte sich hier für die nächste Werbe-Kampagne inspirieren lassen.