Während Kanye in der Benz-Arena noch an seiner Platte werkelt, macht Billie Eilish nach der Fuffzehn direkt Feierabend. Das zweite Album ist gedroppt, die »Stimme einer Generation«-Artikel tröpfeln aus den Schreibstuben – alles wie immer? Jein. Eilish sieht aus wie Marilyn Monroe, läuft nicht mehr in Partyzelten rum und grübelt in Liedern über Love, Hate und sich selbst. Außerdem ist sie glücklicher denn je. Und das kommt 2021 als Gesamtaussage auch auf Instagram gut an. Wenn ein Superstar kurz nach Erreichen der Volljährigkeit den kompletten Stilbruch hinlegt, um sich im Rahmen der kommenden Unterwäschekollektion von H&M freizügiger zu geben, wird das gar nicht woke »sex sells« jetzt halt als female empowerment inszeniert. Das ist nicht zwangsläufig mutig, aber das Tikitaka der PR-Branche – ein Doppelpass zwischen Bewährtem und aktuellem Zeitgeist, die Verwurstung des Alten im Neuen, ein Social Media-Account, der die ausgeblichenen Neonsträhnen mit Pastelltönen überstreicht. Ein bisschen erinnert das an Vintage-Möbel. Niemand kauft die echten, trotzdem wollen alle Stühle, die Vintage aussehen, weshalb Firmen das Zeug einfach so aussehen lassen, als wäre es alt. Das sagt weniger über »Happier Than Ever« als über unsere Gesellschaft. Bekommt als Gesamtaussage aber maximal zwei Likes auf Instagram.
Happier Than Ever