Acht Jahre war es still um Boards of Canada, die 1998 HipHop und IDM in Vollendung zusammenführten. Und so begannen sie die Ankündigung ihres vierten Albums als globale Schnipseljagd. Doch das war ja nur der Anfang. Was Boards Of Canada nachfolgend als Promo-Event inszenierten, sollte v.a. eines erreichen: die Menschen weltweit zusammenführen. Mehrere Foren widmeten sich als kollektives Gehirn der Dekodierung. Und als am 21. Mai ein kurzer Tweed von Boards Of Canada auf eine belebte Kreuzung in Tokyo verwies, traf sich eine Traube einander unbekannter Menschen auch wirklich zur angegebenen Zeit. Punkt Mitternacht erstrahlte dort mit »Reach For The Dead« das erste offizielle Video des neuen Albums. Promo-CDs wurden im übrigen nicht verschickt. Stattdessen fanden Listening Sessions statt, die schlussendlich auch die Fans erreichen sollten. Am 3.6. spielten Boards Of Canada ihr vollständiges Album als Live Stream auf YouTube. Rund 21.500 hörten zu. Und in den Foren gab es Nervenzusammenbrüche. – Wo die Promo-Aktion eine große Gemeinschaftlichkeit erzeugt hat, wirkt »Tomorrow’s Harvest« wie die komplette Antithese dazu. Es ist die bekannte einsame Melancholie, die über 17 Titel einen dystopischen 80er Jahre Film zur Postapokalypse zeichnen. Es lassen sich viele Elemente und Harmonien aus »Music Has The Right To Children« (1998) und dem etwas kühleren »Geogaddi« (2002) wiederentdecken, die jedoch feinfühliger eingesetzt werden und fast zerbrechlich wirken. Marcus Eoin und Michael Sandison halten die Exkurse kurz und knapp und stets in der Schwebe. Die Beats sind behäbig, die Synths lang gestreckt. Die Songstrukturen sind wie ein stetiges Wandern durch verstrahlte Wüsten. So allein und düster haben Boards Of Canada selten gewirkt. Das Klangspektrum wirkt nach all den Jahren zwar sehr Oldschool. Die Art, wie sie ihre kurzen Reisen erzählen – das langsame Vortasten und Metamorphieren – hat ihren Zauber aber noch lange nicht verloren.
Tomorrow's Harvest