Review

Efdemin

New Atlantis

Ostgut Ton • 2019

Es sind sublime Details, welche die Produktionen Phillip Sollmanns von denen seiner Kollegen abheben. Als Efdemin hat der langjährige Berghain-Resident schon auf vergangenen Veröffentlichungen (allen voran »Chicago«) gezeigt, dass man mit der richtigen Portion Understatement auch über den Dingen stehen kann. Dementsprechend gestaltete Sollmann »New Atlantis« ebenso minimalistisch wie futuristisch, inspiriert durch die gleichnamige, nie vollendete utopische Erzählung von Francis Bacon. In ihr fantasierte der Philosoph, Konspirateur und Begründer der empirischen Methode schon Anfang des 17. Jahrhunderts von einer Insel, auf der die Synthese aus Politik, Kunst, Wissenschaft und Mode als soziales Experiment realisiert wird. In seiner Geschichte spricht Bacon auch von »Klangräumen«, in welchen den Bewohnern der Insel Instrumente zur Verfügung stehen, die alle Geräusche des Universums imitieren, also sozusagen das gesamte auditive Spektrum des Menschen abbilden und bedienen können. Mit der gegenwärtig verfügbaren Modulationstechnik, der Fülle unterschiedlichster Synthesizer, Mixer und Software zur Klanggenese, ist diese damals so hanebüchene Vision ziemliche Realität geworden. Der Titeltrack von »New Atlantis« legt Zeugnis davon ab. Während er mit synthetischen Drehleierdrones einleitet, schält sich aus dem Hintergrund nach und nach ein dominanter Technobeat, dem umhersäuselnde Acid-Samples und helle Oszillation zur Seite gestellt werden. Wie klänge diese Musik wohl für einen Zeitreisenden aus dem 17. Jahrhundert? »At The Strangers House« ist dagegen diesig, verschlafen und ruft ähnlich wie das abschließende »The Sound House« immer wieder den guten alten Jon Hassell mit seiner Passion für febrile bis geisterhafte Instrumentierung ins Gedächtnis. Zuvor bäumt sich »A Land Unknown« aber noch ominös auf und initiiert mit Lasersynths nebst dumpfer Echos aus Metallwannen einen treibenden Beat, der ebenso als Vertonung des Wurmritts auf dem Wüstenplaneten »Dune« funktionieren würde. So ambivalent dieses neue Atlantis erscheinen mag: In der stilistischen Ausführung ist es absolut schlüssig.