Review Avantgarde

Godspeed You! Black Emperor

Luciferian Towers

Constellation • 2017

Album des Jahres 2017

Unsere Zeit braucht Hoffnung. Und Godspeed You! Black Emperor kommen, um Hoffnung zu streuen. Selbst wenn diese sich erst durch Drones, Noise und schwirrende Gitarrenstürme schälen muss. Den positiven Glimmer der Hoffnung trug das vielköpfige Kollektiv eigentlich schon immer durch ihr akustisches Inferno. Ob versteckt in den Titeln oder durch unerwartete Auflösungen im kompositorischen Driften. Zugegeben, nach dem Storytelling-Meisterwerk »Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven « (2000) und dem politischen Bombardement-Soundtrack »Yanqui U.X.O.« (2002) könnte man meinen, es sei alles gesagt im GY!BE-Universum. Die beiden Reunion-Alben »Alleluja! Don’t Bend! Ascend!« (2012) und »Asunder, Sweet And Other Distress« (2015) nach 10 Jahren Stille blieben in Komplexität und Kraft hinter den Vorgängern dementsprechend zurück. Doch so wie schon 2002 die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse das Kollektiv aus Montréal zu Höchstform brachten, scheint auch mit der aktuellen Verschiebung der sozialen und politischen Realitäten 2017 eine neue Dringlichkeit bei den Musikern um Efrim Menuck entstanden zu sein. Ihr siebentes Album »Luciferian Towers« knüpft an die alte – verloren geglaubte – Größe an. Virtuos, klanggewaltig, komplex und mit einer neuen Sehnsucht und Hoffnung versehen, entmanteln GY!BE die teuflischen Türme, die das leuchtende Pulsieren einer besseren Welt gefangen halten. Umso trauriger und unverständlicher, dass diese Hoffnungsschimmer gerade in einem Land nicht gehört werden können, das Menuck und seinen MitstreiterInnen besonders am Herz liegt und von ihnen seit langem politisch kritisiert wird. Band und Label unterstützen die transnationale politische Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanction), die das Land Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch zu isolieren versucht. So sind in Israel weder Veröffentlichungen des Labels Constellation erhältlich, noch treten Bands des Labels dort auf. Dabei könnten GY!BE den Weg zur Veränderung ebnen. Ihre Musik ist kraftvoll, bildgewaltig und mit politischen Assoziationen durchtränkt. Wer eine politische Veränderung anstrebt, sollte die innerkulturelle fördern. Das ist das grundlegende Konzept künstlerischer Subversion. Godspeeds Musik könnte das. Ihr realpolitisches Handeln verhindert es.