Review

Joshua Bonnetta

Strange Lines And Distances

Experimedia • 2014

Ob Guglielmo Marconi wirklich am 12.12.1901 in St John’s am östlichsten Punkt Neufundlands im Äther einen schwachen Morse-Puls vernahm und ihm schon da die erste transatlantische drahtlose Signalübertragung gelungen war: Nebensache. Dem kanadischen Videokünstler und Klangkünstler Joshua Bonnetta (akademisch am Ithaca College, NY State zuhause) genügte der Moment als Anlass für ein audiovisuelles Werk, das 2012 den Preis des Images Festivals in Toronto gewann und hier nun als schmuckes Paket aus Vinyl und DVD erscheint. Zwei halbstündige 16mm-Filme, parallel geführt und komponiert aus Aufnahmen der zum Verwechseln ähnlichen Küstenlandschaften um St John’s sowie der damaligen Sendestation von Poldhu an der Südspitze Cornwalls (schon von Brian Eno auf »Ambient 4 On Land« geehrt), dazu ein Soundtrack aus Wellen- und Ätherrauschen: Ein Spiel aus Korrespondenzen zwischen greifbarer Natur und flüchtiger Physik. Nicht als ein intellektuelles (wie etwa auf »Liedgut« von Atom TM,) sondern als Meditation über die Überbrückung von Raum und Zeit, auch über Rauschen und Signal. Durch Phasenverschiebungen in mäandernde Melodien versetztes Rauschen, gluckernde Radiosignale, Nummernstations-Stimmfetzen, vibrierende Drones und chorale Loops mit Bildern Salzwasser- und Regenwasser-gepeitschter Küstenflecken, sich wie Fühler in den Himmel streckenden Antennen, verwitterten Hütten und glimmenden Horizonten zu verschneiden, ist zwar brav. Auch dann, wenn es wie beim Schneegestöber respektive dem Höhepunkt der B-Seite brüllend noisy wird. Wenn am Ende in ewiger Dämmerung einander zwei Leuchttürme zublinken, haben jedoch Transzendenz, Erhabenheit und auch Nostalgie eine handliche Form gefunden.

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