Review

Kelly Lee Owens

Inner Song

Smalltown Supersound • 2020

Nach den drei härtesten Jahren in ihrem Leben steht das zweite Album: Kelly Lee Owens verarbeitet auf ihrer neuen Platte »Inner Song« nicht nur das Ende einer zerstörerischen Beziehung, sondern auch den Tod ihrer Großmutter, zu der sie ein sehr inniges Verhältnis hatte. Und wäre das nicht alles schon kompliziert genug, muss sich die 32-jährige Waliserin weiterhin mit den üblichen Vorurteilen gegenüber weiblichen Künstlerinnen herumschlagen. Sie ist nicht nur die Sängerin, sondern auch Produzentin und Musikerin. Und der Sound von »Inner Song« lässt auch eigentlich keinen anderen Schluss zu. Denn dafür greifen die zehn Tracks viel zu sehr und zu perfekt ineinander. Das Album als Gesamtkunstwerk durch seine durchgängige Atmosphäre und die Handschrift der Künstlerin. Der hektische Techno von »Night« kommt da eben aus dem gleichen Kopf wie die flackernden Synthesizer von »Arpeggi«, dem vielleicht aufdringlichsten Track dieser Platte. John Cale seines Zeichens Gründungsmitglied der legendären Velvet Underground, darf dazu in »Corner Of My Sky« ein paar Zeilen über den Tod und den Regen singen. Kelly Lee Owens selbst bleibt übrigens mit ihrem eigenen Gesang noch mehr im Hintergrund als auf ihrem Debüt. In »Re-Wild« taucht sie mal auf, versunken hinter Beats und Synthesizern, die zwischen Himmel und Erde schwanken. Wer bis hierhin wissen möchte, woher denn die Zuschreibung von DreamPop für diesen Sound kommt, der möge an dieser Stelle einsteigen. Ansonsten setzt sich »Inner Song« auch aus Momenten von Ambient und House zusammen. Oder: Dies ist der Sound von Kelly Lee Owens Unverwechselbar und einzigartig. Alleine in Zeiten der Zersplitterung des Albums in seine einzelnen Tracks durch Spotify und Co. gehört »Inner Song« hervorgehoben. Denn es ist nicht nur der Ausdruck von Verlusten und Ängsten einer der spannendsten Künstlerinnen unserer Zeit, sondern auch eine Bewusstseinserweiterung in seiner Gesamtheit. Jeder Beat, jeder Rhythmus dringt tief in den Geist ein, alles steuert durch die hypnotischen Strukturen einem ganz bestimmten Punkt zu. Und der dürfte bei jedem Hörer an einer anderen Stelle liegen. Wie bei jedem Meisterwerk bleibt hier nach zehn Tracks aber vor allem das Gefühl zurück: Du bist nicht alleine in der Dunkelheit. Großartig in jeder Sekunde.