Angesichts unseres Informationszeitalters, in dem man sich in jede Musik schnell einarbeiten kann, habe es junge Jazzer nicht leicht: so viele Einflüsse, die in ihrem puristischen Genre nicht zum Tragen kommen dürfen, wenn die Musik nicht aus dem Genre fliegen soll. Dem kann man sich dennoch kaum entziehen, denn mehr denn je ist Musik omnipräsent und beeinflusst – zumindest unterbewusst – jeden Menschen, ganz gleich ob Produzenten oder Konsumenten. So ist auch der erst 24-jährige Pianist Kris Bowers, der im Alter von 4 Jahren erstmals am Klavier saß, nicht nur mit Stevie Wonder, Marvin Gaye oder Tower Of Power aufgewachsen, sondern selbstverständlich mit Rap und R’n’B, sowie vielen anderen Genres. Das hat auf sein Solodebüt abgefärbt: »Heroes + Misfits« beginnt, nach einem verträumten Ravel-esken Intro, das seine Vorliebe für Filmmusik unterstreicht, mit zackiger Gitarre und Schlagzeug, als würde nun eine Indieband spielen, die aber bald von Kris Browers Piano abgelöst wird: vergleichsweise schwer im Klang, andererseits mit einer selten gehörten Leichtigkeit gespielt, dass man aufhorcht. Auch ein betont rockiges Drumkit zieht sich durch die Musik, jedoch ohne es rockig wirken zu lassen. Auch die Vokalisten (u.a. José James) bringen ihre Songs stets zurück in die Jazzspur. Kris Bowers schafft es, einem Genre, in dem schon alles gesagt schien, neues Leben einzuhauchen, das auch wirklich nach seiner Generation, nach dem 21. Jahrhundert schmeckt. Ob nun eben Indie, Psychedelic, klassische Elemente, Hip Hop-Zitate oder dreampoppiges: Es ist und bleibt auf Jazz. Durch die Leistung Bowers‘ bekommt der Albumtitel eine ganz neue Bedeutung: als»Misfit« zum »Hero«.
Julian Lage
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