Review

Roy Harper

Man & Myth

Bella Union • 2013

Kaum einem aufmerksamen Joanna-Newsom-Fan dürfte ihr Engagement für den britischen Proto-Free-Folker Roy Harper die letzten Jahre entgangen sein. Dessen Ausschweifungen, sowohl im Narrativen (mit über-10-minütigen Songs), als auch im Vokalen (mal brummt er wie Bert Jansch, mal kippt die Stimme ins scharfe Falsett) – haben die Harfenistin auf »Ys« stark beeinflusst. Als die Kalifornierin 2010 durch England tourte, lud sie ihn als Special Guest ein und spielte ihrerseits bei seiner Geburtstagsgala (zum 70.!) auf. Dies tat auch ihr Landsmann Jonathan Wilson, AOR-Folkrock-Revivalist mit Grunge-Vergangenheit, dessen Solo-Debüt sich 2011 solcher Beliebtheit erfreute, dass er schon Paten wie Graham Nash, Jackson Browme oder die noch lebenden Mitglieder von Grateful Dead in sein Vintage-Studio locken konnte. Roy Harper schlug die Offerte ebenfalls nicht aus, was immerhin die Vollendung seines ersten neuen Albums seit 13 Jahren beschleunigte. Doch die Lieder, die es auf »Man & Myth« leisten, das Charakteristische an John Peels Lieblings-Kauz hervorzuheben, sind alle in Harpers Heimstudio im irischen Cork entstanden. Während das von Wilson produzierte »Cloud Cuckooland« über maulendes Lamentieren (»We are condemned to make the same mistakes all over again«) nicht hinausgeht und dabei so uninspiriert daherrockt wie Neil Young in schlechter Tagesform, vermag »January Man« in seinem entspannten Duktus, nur unterlegt von offenen Akkorden und dezentem Streicherarrangement, an Harpers Meisterballade »Commune« anzuknüpfen. Die Vermutung, dass Zeilen wie »With you on my mind/Your words in rewind/ On eternal replay«, oder später im ergreifenden Refrain: »I lost control of my emotion/In the ocean of your grace« die folgenreiche Begegnung mit der fast vierzig Jahre jüngeren Schwester im Geiste verarbeiten, erscheint da nicht allzu abwegig.