Review

Tarquin

Kid U/Lost My Marbles

Gobstopper • 2014

Die Grime Wars haben sich gelegt, die Avantgarde zieht weiter. Mr. Mitch pusht mit seinem Imprint Gobstopper die seltensten Blüten des unerwarteten Revivals. Die Debüt-EP des oder der unbekannte_n Produzent_in Tarquin beweist, wie zeitgemäß die anzuschauen sind, obwohl sie in vertrauten Rhythmen wurzeln. »Kid U« zieht über ratternden Snares und bumsenden Bässen Vocal-Schnipsel durch den Mix, dass es eine wahre Freude ist. Anklänge an PC Music-Acts, vor allem deren Zugpferd Sophie, sind vielleicht nicht beabsichtigt und trotzdem voll da. Im Grunde ist das Anti-Grime, ein auf Hochglanz poliertes Nicht-Produkt. Und gerade deswegen umso geiler, grimeiger. Das Hardcoore Continuum, durch die Bandcamp-Szene gechannelt, im Grunde also ein Statement über die Digitalglobalisierung einer lokalen Szene – und nichtsdestotrotz ein einziger großer Spaß. »Lost My Marbles« zieht ein anderes großes Revival beziehungsweise einen nicht erlöschenden Dauerbrenner mit ein: Seinen Auftakt nimmt der Track als rumsender Acid-Banger, komplett mit schallenden Claps und sturem Four-To-The-Floor-Beat. Irgendwann funken sich die Monsterbässe aber frei, irrlichtern die kreischigen Signaltöne über gigantische Breakdowns. Einer der kuriosesten Tracks des Jahres. Wer sich hinter dem Pseudonym Tarquin verbirgt, ist da gar nicht so wichtig, sondern vielmehr welcher Grundgedanke: Dass jedes Wiederaufkochen tradierter Genres Potential für Innovation aufweist. Hörst du das, Simon Reynolds?

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