Review

Tim Hecker

No Highs

Kranky • 2023

Vertont Tim Hecker auf seinem neuen Album psychische Krankheitsbilder oder beschreibt er mit Titeln wie »Monotony« oder »Anxiety«, »Pulse Depression« oder »Sense Supression« lediglich legitime Reaktionen auf die pessimistische Gegenwart zwischen Pandemie, Krieg und Rezession? Das wortlose »No Highs« gibt darauf erwartungsgemäß keine Antwort, liefert aber Indizien für beide Lesarten und legt schließlich eine Synthese beider Sichtweisen nahe: kollektive Depression als Antwort auf die frisch gemachte Erfahrung von Isolation, allerlei Ängsten und wenig optimistischen Zukunftsaussichten.

Musikalisch brodelt das Unbehagen hier aber stets nur im Untergrund, Panik wird bloß angedeutet und eine nervöse Stimmung etwa durch arhythmische Morsecodes erzeugt. Zwischen (und gleichzeitig abseits von) Ambient, Neo Classical, Noise und Musique Concrète fließen die Tracks scheinbar ohne feste Kompositionsmuster oder Spannungsbögen mal hierhin, mal dorthin – dabei zu fordernd, um zur reinen Hintergrundmusik zu verkommen, nur in ausgewählten Momenten wirklich dissonant und krachig, bekannte Strukturen meidend.

Exemplarisch sei hier das ätherische »Total Garbage« als Sinn- und Klangbild einer hauntologischen Gegenwart genannt, in dem elegische Streicher und das Saxophon von Colin Stetson zu einem ziellosen Trauermarsch anschwellen, bei dem keiner der Gäste zu wissen scheint, für wen und wo eigentlich das Grab sein soll.