Als der Berliner Tresor im Herbst 2016 seinen 25. Geburtstag mit einer dreitägigen Party der Sonderklasse feierte, wurde das von Diskussionen begleitet. Neil Landstrumm etwa beklagte die fehlenden UK-Acts im Programm, die das zum Club gehörige Label in den neunziger Jahren mitgeprägt hatten. Die Compilation »Dreamy Harbor« schreibt sich in US-amerikanischer Weise (»Harbor« ohne u) und versteht sich dennoch als Ausdruck eines auf Internationalität bedachten Projekts, das Clubgründer Dimitri Hegemann einst in der Brachzone nahe des Potsdamer Platz aus dem Boden hob. Tatsächlich sind zumindest einige alte Wegbegleiter auf der Geburtstagscompilation vertreten. Den Auftakt macht etwa Vainqueur, dessen Werk auf Chain Reaction fast schon mythische Qualitäten zugesprochen bekommt und der mit »Lyot« eine der frühen Berliner Techno-Hymnen schrieb. Daneben vertreten Juan Atkins & Moritz von Oswald die sogenannte Berlin-Detroit-Achse in Personalunion, selbst kriminell unterschätzte Produzenten wie Terrence Dixon und Ambientwerkler TV Victor zeigen sich und mit dem Gerald Donald-Projekt Daughter Produkt sowie The Orb-Mitglied Thomas Fehlmann überraschen zwei weitere Comebacks im Tresor-Kontext. Ziemlich viel alte Schule, älter aber geht es immer: Fourth World-Legende Jon Hassell ließ sich ebenso bitten. Vor allem aber bemüht »Dreamy Harbor« den Brückenschlag zur jungen Generation und lädt mit Shao, dem Briten (!) Mønic, Claudia Anderson oder Daughter Produkt neue Talente ein, die auf verdienstvolle Nachgerückte wie Marcelus und Donato Dozzy treffen. Herausgekommen ist eine Compilation, die von Vainqueurs überragendem Dubflächenminimalismus über Terrence Dixon Techno-Jazz und Donato Dozzys dröhnenden Acid-Einlagen bis hin zu Donalds paranoidem Illbient-Finale viel Raum zur Entfaltung lässt. Dub und Ambient dominieren. Selbst Hassells sanft pulsierender Beitrag fällt nicht aus dem Rahmen und mit TV Victor, Thomas Fehlmann und Claudia Anderson scheinen gleich drei Technoide einander mit verträumten Beats zuzuspielen. Dass »Dreamy Harbor« auch hier den zu Unrecht vernachlässigten UK-Paranoikern keinen Platz einräumt, lässt sich also entschuldigen: Diese umfassende Compilation ist im Gesamten eine ungewöhnliche Tresor-Veröffentlichung, in der dennoch ein vom Chefideologen Hegemann durchgekautes Motto wiederhallt: »We were space pioneers«.
Dreamy Harbor