Review

WITCH

Introduction

Now-Again • 2021

Kulturtransfer ist keine Erfindung des digitalen Zeitalters, sicher. Allerdings wurde der Austausch kultureller Codes vor der Verbreitung des Internets durch andere Latenzzeiten bestimmt. Was heute in Sekundenbruchteilen geschehen kann, hat noch vor wenigen Dekaden tendenziell noch Jahre in Anspruch genommen. Dass »Introduction«, das 1972 im Eigenverlag erschienene Debütalbum der aus dem Cooperbelt der südafrikanischen Republik Sambia stammenden Band [Witch](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/6573/witch-we-intend-to-cause-havoc,) wie die an einem der Grillfeuer des Mindolo-Dam-Freizeitparks durchgeschüttelte Quersumme der auf Jac Holzmans und Lenny Kayes legendärer Compilation »Nuggets: Original Artyfacts From the First Psychedelic Era, 1965–1968« versammelten Garage-Rock-Combos, ist insofern kaum verwunderlich. Frontmann Emanyeo »Jagari« Chanda heult, keucht, stöhnt, ächzt, hechelt, faucht und jault seine englischen Texte zu den übersteuerten Gitarrenriffs von Chris »Kims« Mbewe und John »Music« Muma, den Fuzz-geschwängerten Bassläufen von Gedeon »Giddy Kings« Mulenga, den taumelnden Orgelwolkenflächen von Paul »Jones« Mumba und Boidi »Star McBoydie« Sinkalas knochentrockenem Drumming wie eine Kreuzung aus Roky Erickson, Sky »Sunlight« Saxon und – wie sein Bühnenname schon andeutet – Mick Jagger. Kurzum: In Tracks wie »Introduction«, »Like A Chicken« oder »No Time« manifestiert sich die pure Lebensfreude der seinerzeit noch jungen Nation, die erst acht Jahre zuvor die Bürde der britischen Kolonialherrschaft abstreifen konnte. Im Handumdrehen wurden Witch in Sambia als Speerspitze des Zamrock wahrgenommen. Dass diese Aufnahmen bestenfalls als semiprofessionell bezeichnet werden können, unterstreicht ihren historischen Charme. Die Energie des Anfangszaubers, die Aufbruchstimmung des jungen Tags, bleibt davon unberührt.