Die 50 besten Schallplatten der ersten Jahreshälfte 2025

30.06.2025

Von Kuduro bis Folkrock, von Taiwan bis Bogotá: Diese Platten bieten Halt in einem Jahr voller Widersprüche. Sie spenden Trost, liefern Energie und eröffnen neue Perspektiven, während sich die Welt rasant verändert.

Nächstes Halbjahr, neue Folge »Alles scheiße außer der Musik«. Die guten Nachrichten: Wir haben die Hälfte eines gottverfluchten Jahres nach mehr als einem Jahrzehnt an gottverfluchten Jahren hinter uns, der Sommer ist gekommen, und die Musik war, na, eben – einfach gut. Während die Leute weiter »Not Like Us« auf Repeat pumpten, sich wie »Shabab(e)s im VIP« fühlten oder angestrengt über das Cover von Sabrina Carpenters neuem Album diskutierten, als ob Miranda Reinert nicht schon die korrekteste Meinung dazu für alle lesbar aufgeschrieben hätte, hatte die Musikwelt mehr zu bieten als billige Nervenkitzeleien, uninspirierten Hedonismus oder Sleaze-Ästhetik. Wie immer haben die Redaktion des HHV-Mags gemeinsam mit den Autor:innen 50 Schallplatten rausgesucht, die uns im Angesicht einer lodernden Welt kalte Umschläge um die Ohren gewickelt haben.

Grönland haben wir auch nicht

Ob eine 7“ mit französisch-mongolischen Nuggets von Céline Dessberg, durchschlagenden Zwölfzoll-Dancefloor-Geräten von unter anderem Emily Jeanne, die zahlreichen das Format noch als Kunstform ernstnehmende Alben, Compilations mit dem unerhörten japanischen New und No Wave der frühen 1980er Jahre vom legendären Label D.D., Reissues von Klassikern wie Jan Jelineks »Kosmischer Pitch« oder Kalahari Surfers‘ »Own Affair« sowie eine zuvor verschollene Archivveröffentlichung von Holger Czukay: Diese 50 Platten besetzen die verschiedenste Plätze in der zeitgenössischen Musiklandschaft ebenso wie unterschiedliche Punkte auf dem Zeitstrahl der Musikgeschichte. Mohammad Mostafa Heydarian ist kaum 23, Marshall Allen 101 Jahre alt. »Stereo Instrumental« von der Ibex Band klingt ein halbes Jahrhundert später so frisch wie die neue Platte von Little Simz.

Wir besuchen mittels dieser Platten verschiedene Kontinente, reisen mit Dope Purple nach Taiwan oder mit der Supergruppe Los Pirañas aus Bogotá nach Kolumbien, erkunden mit Raisa K. oder Nazar die Randgebiete der Popmusik, finden Trost im 1990er-Vibe-Folkrock von Annahstasia oder singen noch einmal mit der verstorbenen Q Lazzarus »Goodbye Horses«. Wir sehen Macie Stewart dabei zu,  die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation einzureißen, lesen eifrig Damon Locks‘ »List of Demands« und tanzen zu DJ Narcisos Kuduro-Mutationen. Wir haben auch Darkside, Billy Woods, Stereolab und Sophia Kennedy mit dabei, wenn euch das alles zu obskur ist. Was wir damit nur sagen wollen: Ja, war alles scheiße – diese Musik hier aber nicht. Kristoffer Cornils


Annahstasia
Tether
Drink Sum Wtr • 2025 • ab 26.99€

Tether ist ein Jazz-inflektiertes, Soul-getränktes Torch-Song-Folk-Album und fühlt sich dementsprechend aus der Zeit gefallen an, zugleich aber so dringlich und aufregend wie kaum ein anderes in diesen Tagen. Bisweilen lässt Annahstasia Enuke an die ekstatische Insichgekehrtheit von B. Glenn-Copelands frühesten Alben denken, in ihren dramatischsten Momenten aber klingt sie wie eine Anohni, die den Backkatalog von Norah Jones inhaliert hat. Und der letzte Song käme wohl dabei heraus, wenn Bryan Adams Farewell Transmission neu einspielen würde. Doch ist das alles – mit Ausnahme eines labbrigen Spoken-Word-Stücks zwischendurch – komplett makellos, zeitgemäß und innovativ. Auch das Obongjayar-Feature, das erste wirklich sinnige der Musikgeschichte.

Kristoffer Cornils
Barker
Stochastic
Smalltown Supersound • 2025 • ab 26.99€

Es ist die tollste, die schönste, die wirklich großartigste Platte, die man hören kann, an einem frühen Morgen, spät am Abend, von mir aus auch dazwischen. Sie kommt von Barker, da muss man immer Berghain dazuschreiben, aber eigentlich könnte man auch Leisure System sagen, ein wahnsinniges Label. Aber das klickt dann nicht so gut. Was ja thematisch reinpasst. Stochastic Drift ist keine schreiende Klick-mich-Platte. Sie ist das Herrengedeck für die Zigarrenstunde. Oder auch was ganz anderes. Jedenfalls, so, so gut!

Christoph Benkeser
Batu
Question Mark
Lethal Press • 2025 • ab 15.99€

Manchmal ist es einfach die Konstanz, die es zu loben gilt. Zum Beispiel bei Batu, der mit Question Mark einen weiteren durchweg hörenswerten Vier-Tracker vorlegt – erstmals seit sieben Jahren nicht auf seinem eigenen Label Timedance, sondern auf Lethal Press. Seinen etablierten Sound erneuert er hier nicht grundlegend, sondern in Nuancen: so auf »Clump«, das rhythmisch Patterns von Reggaeton aufnimmt, oder auf »Meridian«, das fast ins Ambiente gleitet.

Sebastian Hinz   Zur Review
Billy Woods
Golliwog
Backwoodz Studioz • 2025 • ab 44.99€

Golliwog ist das musikalische Pendant des Films Reflecting Skin: Ein obskures, unter dem Radar laufendes Meisterwerk, das einen fix und fertig macht. Billy Woods klingt da »betäubt und wirkt betäubend, erscheint ebenso emotionslos wie wutgeladen, wirft dich nach vorn und doch auf den Boden«, erklärt Kollege Brauwers in seinem Porträt des New Yorker Rappers. Eine treffende Beschreibung, die unterstreicht, wie sehr einem die durchweg alptraumhafte Stimmung der LP in Mark und Bein fährt. Für die Sorgen neben Woods´ eindringlicher Delivery auch ein All-Star-Producer-Roster, dem Underground-Ikonen wie El-P, The Alchemist oder Ant angehören. Stark!

Christian Neubert
Céline Dessberg
Selenge / Chintamani
That's Love • 2025 • ab 11.99€

Zu keinem anderen aktuellen Song als zu Céline Dessbergs Chintamani dürften in diesem Jahr mehr Ottolenghi-Rezepte in Ikea-Hacks-Küchen zubereitet werden. Die französische Musikerin mit mongolischen Wurzeln tischt eine wonnevolle Mischung aus rare-grooviger Eingängigkeit und exotischer Weite auf. RIYL Khruangbin. Die B-Seite ist der eigentliche Star: Der rein instrumentale Track hat das Melancholische und Zeitlose einer Ahmed-Malek-Komposition.

Pippo Kuhzart
Civilistjävel! X Mayssa Jallad
Marjaa: The Battle Of The Hotels Versions
Six Of Swords • 2025 • ab 33.99€

Marjaa: The Battle of the Hotels (Versions) ist eine atmosphärische Neuinterpretation von Mayssa Jallads Konzeptalbum aus dem Jahr 2023, das sich mit der »Schlacht der Hotels« im libanesischen Bürgerkrieg (1975/76) auseinandersetzt. Der schwedische Produzent Civilistjävel! überführt das Original behutsam in eine kontemplative Klangwelt – geprägt von Dub- und Ambient-Elementen. Im Gegensatz zur erzählerischen Tiefe und der akustischen Vielfalt des Originals legt Versions den Fokus auf einen Atmosphäre und Hypnose. Im Zentrum steht Jallads außergewöhnliche Stimme: Die arabischen Lyrics werden eindringlich auf verschleierte, fragile Weise in gespenstisch wirkende Echos transformiert. Ein stilles Meisterwerk.

Celeste Dittberner
Cosmic Ear
Traces
We Jazz • 2025 • ab 27.99€

Die Fußspuren, Traces, denen die schwedische Supergroup Cosmic Ear folgt, sind die von Don Cherry. Der Bassklarinettist Christer Bothén hat selbst mit Cherry gespielt, brachte dessen Musik das donso n’goni nahe – eine mit Ziegenfell bespannte, vier- bis sechssaitige Harfenlaute, die in Westafrika traditionell den Jägern vorbehalten ist – und war eine wichtige Bezugsperson während Cherrys Residenz in Schweden. Dessen Spiritual free jazz meets world music-Ansatz wird hier vom 83-Jährigen und seinen Mitstreitern Mats Gustafsson, Goran Kajfeš, Kansan Zetterberg und Juan Romero – allesamt bekannt vom freifließenden Fire! Orchestra – ins 21. Jahrhundert übertragen. Keine nostalgische Note. Schlicht zeitlos.

Sebastian Hinz
Cuneiform Tabs
Age
W.25Th • 2025 • ab 21.99€

Wo das selbstbetitelte Erstwerk der Cuneiform Tabs noch im besten Sinne mühe- weil sorglos war, hat sich das Duo der Herausforderung, eben das nicht mehr zu 100 Prozent zu sein, für ihr zweites Album gestellt und sich… einfach mehr angestrengt! Auf Age sind die Ideen ausformuliert, die Sequenzen durchdacht, Kohärenz wurde gefunden. So kommen Pop-Momente in die Post-Punk-Atmosphäre. Plötzlich ist hier Simon & Garfunkel drin. Here’s to you!

Pippo Kuhzart   Zur Review
Damon Locks
List Of Demands
International Anthem • 2025 • ab 32.99€

Irgendwo zwischen dem Art Ensemble, Alchemist und…Gil-Scott-Heron muss man Damon Locks' List Of Demands einordnen, wenn man eine Ahnung vermitteln will, was hier abgeht. Geloopte Soul-Samples, Black-Power-Audio-Schnipsel, Saxofon, spirituell-politische Predigen, und nebenher laufen in der Glotze gleichzeitig Cartoons und die Nachrichten. Unrast-Musik, durch und durch.

Pippo Kuhzart   Zur Review
DJ Narciso
Diferenciado
Principe • 2025 • ab 24.99€

Nimm das schlechteste Betragen von Dizzee Rascal zu Boy In Da Corner-Zeiten als Habitus und mixe es mit den Rhythmen des angolanischen Kudoro, und du kommst bei Diferenciado raus. DJ Narciso sagt hier wirklich kein einziges mal Entschuldigung. Zurecht kommen muss jeder für sich selbst. Am besten gelingt das im halben Handstand an der Wand; Arsch wabbelnd zum zerhackten Takt. Wer‘s nicht kann, stellt sich einfach hin, straight auf beide Beinchen, und sagt: Danke für die Klatsche, die hatte ich mal wieder bitter nötig.

Pippo Kuhzart   Zur Review
Darkside (Nicolas Jaar & Dave Harrington)
Nothing
Matador • 2025 • ab 27.99€

Nach fast zehn Jahren melden sich Darkside mit einem Album zurück, das sich Zeit nimmt und Raum lässt. Nothing klingt reduziert, aber eben nie nach der Leere im Nichts. Gitarrenflächen, modulierte Synths und sparsam gesetzte Rhythmen greifen ineinander wie Nebel und Licht. Alles wirkt mit viel Fingerspitzengefühl hochpräzise. Ein Vinyl-Highlight des Halbjahres, das irgendwo zwischen Kraut, Club und kosmischer Improvisation zu verorten ist. Textur und Sound bleiben elektronisch und organisch zugleich – ganz in der vertrauten Handschrift von Darkside eben.

Wencke Riede   Zur Review
DJ Python
I Was Put On This Earth
XL Recordings • 2025 •

DJ Python trifft immer die richtigen Töne in der richtigen Zeit. In aller Regel sind das sanfte und kontemplative, wie sie auch auf seiner aktuellen EP erklingen. Über fünf Tracks liefert der New Yorker auf I Was Put On This Earth zähflüssige, von karibischen und südamerikanischen Musiktraditionen beeinflusste Pop-Electronica, die sich samten über die Ohren legt wie das Sonnenlicht auf die geschlossenen Augenlider. Die Ausnahme: »Besos Robados«, weil Isabella Lovestorys herausfordernder Sprechgesang die ungeteilte Aufmerksamkeit einfordert.

Maximilian Fritz
Dope Purple
Children In The Darkness
Riot Season • 2025 • ab 25.99€

Im vorliegenden Fall sieht die richtige Vorbereitung auf den Sturm so aus: Hütte verlassen, mit dem Shirt die Angst abstreifen, den Blick nach vorne richten, nur ein Ziel kennen: das Auge des Dinges, das da am Horizont aufzieht. Lange braucht es auch nicht, dann ist er da. Auf Children Of Darkness der Taipeh-Band Dope Purple wahren E-und Bass-Gitarre lange die Ordnung und halten damit gleichzeitig die Spannung hoch: ihr mantra-artiges Spiel sorgt dafür, dass man das Chaos immer noch antizipiert, obwohl das Saxofon längst quietscht und der Alarm der Synths klingt als verkündete er ein zweites Leck im Reaktor. Und dann geht das weiter. Weiter und weiter und tiefer rein. Der Psych-Rock von Dope Purple zeigt keinerlei Interesse, das Licht am Ende des Tunnels zu finden. Ergeben statt Erheben ist name of the game.

Pippo Kuhzart
Edison Machado & Boa Nova
Edison Machado & Boa Nova
Far Out • 2025 • ab 33.99€

Edison Machado war in den 1960er-Jahren eine revolutionäre Gestalt der brasilianischen Musik. Neben Zusammenarbeiten mit Antonio Carlos Jobim, João Gilberto oder Milton Nascimento, erfand Machado den samba no prato, den auf dem Becken gespielten Samba, der prägend für die Bossa Nova werden sollte. 1976 floh er vor der brasilianischen Militärdiktatur nach New York. Dort nahm er Anfang 1978 mit dem kurzlebigen Ensemble Boa Nova 80 Minuten Musik auf, die in diesem Jahr auf Far Out Recordings erstmals erschienen. Das Sextett aus brasilianischen und amerikanischen Musikern fasst hier das Beste aus beiden Welten ein und lässt Samba, Bossa Nova und Hard Bop zu einem bislang kaum gehörten Amalgam zusammenfließen.

Sebastian Hinz   Zur Review
Elaine Howley
Hold Me In A New Way
Modern Love • 2025 • ab 18.99€

Die 7“-Single als Königsdisziplin. Mit ein paar zaghaft vorgetragenen und zigfach wiederholten Sätzen erzählt die Britin Elaine Howley eine intime Geschichte von Sehnsucht. Da gibt es jemanden, der oder die sie umarmen soll wie nie zuvor. Und unterstützt wird diese eigentlich große Botschaft von nicht viel mehr als einem kleinen, pochenden Beat, etwas Bass und einem Keyboard. Bei diesem Stück schummriger Pop-Musik, das sich im Schatten am wohlsten fühlt, ist weniger nicht mehr. Sondern alles.

Christopher Hunold   Zur Review
Emily Jeanne
Call Of The Sea
Quynh • 2025 • ab 16.99€

Der Eröffnungstrack des quỳnh-Debüts der belgischen Produzentin Emily Jeanne ist eine meisterhafte Etüde in rhythmisch vertracktem Sounddesign mit psychedelischem Einschlag. Doch hat Call of the Sea mehr zu bieten als Deep Dives in den Marianengraben. »Count Me Out« klingt wie eine über Ilian Tape verlegte Steve Reich x Jlin x Barker-Kollaboration, der Mid-Tempo-Rumpler »Đồ Sơn at Night« kombiniert Bristol-Bass-Bums mit der Roughness der Salon-des-Amateurs-Crew und »Gone Water« schließlich lässt mit seiner Polyrhythmik DJ Plead wie Tiësto aussehen. Jeanne teilt das Meer der Mittelmäßigkeit zeitgenössischer Clubmusik, um ihrem Ruf zu folgen.

Kristoffer Cornils
Erika De Casier
Lifetime
Independent Jeep Music • 2025 • ab 28.99€

Das beste R&B-Album des Jahres kommt aus Dänemark. Erika De Casier gelingt auf Lifetime, was einem nur mit einem gewachsenen Selbstbewusstsein gelingen kann: Madly erotic Liebes-Vibes verbreiten und dabei ganz unaufgeregt, ja cool! bleiben. Und vielleicht spinne ich, aber: Ist das auf »Delusional« nicht auch eine bewusste Hey-Ma-Referenz? Die Zeit dafür wäre jedenfalls mehr als reif.

Pippo Kuhzart
Gajek
Cutting Together Apart
Stroom • 2025 • ab 26.09€

Gajek macht für Ziggy Devriendts Label STROOM genau diese Momente, die Monat für Monat, Jahr für Jahr in seinen NTS-Shows im Kopf bleiben. Im Dienste des Großen Ganzen, aber immer extra-weird, mit repetitiven Voice Messages, tragenden Melodien, ertränkt in Moll. Cutting Together Apart ist im Osten entstanden. Ein Klischee; ein schönes.

Florian Aigner
Gombeen & Doygen
Prada / Sequel
Wah Wah Wino • 2025 •

»Easy Lee«, der 2003er Hit von Ricardo Villalobos, ist einmalig. »Prada« von Gombeen & Doygen kommt nah an seinen Zauber. Fesselnder Dub-Minimal mit Ketamin-Spoken-Words, Rhythm & Sound Bassgroove und funky Gitarrenchords. Klingt nach Berlin, kommt aber aus Irland. Die Flipside bringt »Sequel«, ebenso massiv speziell. Minimal-House mit Hi-Hat-Fieber und einer Stimme, die an die besten Momente von Acts wie Soul Capsule erinnert. Wenn das hier Standard wäre, kann die Minimal-Renaissance kommen!

Michael Leuffen
Holger Czukay
Gvoon: Brennung 1
Grönland • 2025 • ab 31.99€

Weil der Markt derzeit mit lieblosen Krautrock-Reissues überflutet wird, wirkt die Veröffentlichung von Gvoon: Brennung 1 umso wichtiger. Der verstorbene Holger Czukay hatte bei Karlheinz Stockhausen studiert, bevor er mit CAN Musikgeschichte schrieb, und das ist seinen Solo-Veröffentlichungen anzumerken. Das lang verschollene 32-minütige Stück wurde 1997 aufgenommen und wird von einer Version des Duos DIE ANGEL zusammen mit Fausts Zappi W. Diermaier flankiert. Zu hören ist eine düstere, dumpfe Collage aus rumorenden Drones, klaustrophobisch bis zum Anschlag und doch – Czukay halt – mit unwuchtigem Groove. Wenn euch mal wieder jemand »Cluster II« als Neuauflage verticken will, greift lieber zu der hier.

Kristoffer Cornils
Ibex Band
Stereo Instrumental Music
Muzikawi • 2025 • ab 31.99€

Die Ibex Band fungierte in den 70er-Jahren nicht zuletzt als Begleitband großer äthiopischer Stimmen wie Aster Aweke, Mahmoud Ahmed oder Tilahun Gessesse. Stereo Instrumental Music steht für sich als Entwurf einer Musik zwischen Tradition und Moderne. Zugleich markiert es eine wichtige Wegmarke: Kurz nach den Aufnahmen waren wegen des Militärputschs und der Ausgangssperre, die die neue Regierung verhängte, die Bedingungen für Musiker immer schlechter geworden.

Andreas Schnell   Zur Review
Jan Jelinek
Kosmischer Pitch
Faitiche • 2005 • ab 26.99€

Vorsicht, Kraut! Der Berliner Minimal-Klangkünstler Jan Jelinek nimmt Samples von kosmischen Krautrockern aus den 70er-Jahren und schickt sie in den Loop. Wer die Herkunft der Samples herausfinden will, sollte sich ein anderes Hobby suchen. Es geht nicht um Quellenforschung, sondern um musikalische Gemeinsamkeiten an zwei unterschiedlichen Punkten in der Zeit. Jelinek verarbeitet die Soundquellen, die auf Repetition und rhythmisches Pulsieren aufgebaut sind, zu seinem eigenen glitchy Minimal-Hypno-Beat. Kosmischer Pitch ist auch heute so wichtig wie vor 20 Jahren.

Albert Koch
John Glacier
Like A Ribbon (Three EPs)
Young • 2025 • ab 27.99€

2025 hat uns mit einer Reihe von Ereignissen konfrontiert, die so niemand auf dem Zettel haben konnte. Dass aber eine Londoner Rapperin/Sängerin über Beats huschen würde, die wie von Clams Casino oder Forest Swords zusammengebastelt und dann von Mica Levi nachbearbeitet klingen, gehört zu den unwahrscheinlichsten Vorkommnissen dieses Jahres. Keine Frage, Like A Ribbon: Three EPs ist wenig mehr als eine Sammlung von drei EPs, die John Glacier seit Anfang 2024 über Young veröffentlicht hat, das Ganze klingt jedoch wie ein kohärentes Album; wie das nachdrückliche, selbstbewusste Statement einer Künstlerin, die in Zukunft umso mehr zu sagen hat. Bock drauf.

Kristoffer Cornils   Zur Review
Joss Turnbull
Turmoil
Boomslang • 2025 • ab 32.99€

Sich morgens schon besoffen fühlen, ohne nur einen Tropfen angerührt zu haben. Geht mit Joss Turnbull, wenn dieser in scheinbar völlig zufälliger Reihenfolge seine Percussion schlägt, reibt, kitzelt, zwickt, streichelt, antippt und die überraschten Reaktionen der Instrumente durch Effektgeräte schickt. Dazu stöhnt, ruft, murmelt er auf Turmoil und lässt alles in einem chaotischen Derwischtanz kollidieren. Da schwirrt der Kopf, drehen sich Augen, aber die Hüfte… die Hüfte ahnt einen betörenden Groove.

Jens Pacholsky
Kalahari Surfers
Own Affairs
Via Parigi • 1984 • ab 24.99€

Eine der schönsten Entdeckungen 2025: Aufgenommen 1984 auf einem 8-Spur-Rekorder in den Shifty Studios in Johannesburg – einem ausrangierten Wohnwagen – wurde Own Affairs von den Kalahari Surfers in diesem Jahr auf dem französischen Label Via Parigi wiederveröffentlicht. Musikalisch nicht weit entfernt von der postpunkigen Vielfarbigkeit von Family Fodder oder der Samplewut von Roger Doyles Operating Theatre, inhaltlich jedoch deutlich politischer. Warrick Sony, Gründer und einzig permanentes Mitglied, nutzte den Bandnamen als Pseudonym, um sich vor staatlicher Repression zu schützen, und verwob Dub, Punk, afrikanische und indische Rhythmen sowie Samples von politischen Reden, Polizeifunk und religiösen Gesängen zu einem satirischen, ästhetisch eindrucksvollen Statement gegen die Apartheid. Fast ein kleines Hörspiel.

Sebastian Hinz   Zur Review
Kunihiko Sugano Trio +1
Love Is A Many Splendored Thing
Three Blind Mice • 1974 • ab 41.99€

»Iconic Underground Classic«, »most sought-after«, »Holy Grail«: Reissues betagter Jazz-Platten geizen meist nicht mit Superlativen in den Beschreibungstexten. Nachdem diese stets mit Vorsicht zu genießen sind: Hier passt das schon. Kunihiko Sugano nimmt man den »Piano-Magician« ab. Weil er wie jeder gute Zauberer seine Kräfte wohldosiert einbringt. Er setzt Akzente, nuanciert fein – und versteht, dass Jazz ein Mannschaftssport ist. Die Teamleistung, die hier erbracht wird, besticht durch Soul und Funk, Drama und Spannung – und eben jener sprichwörtlichen Magie, die das Besondere aus dem Guten hervorhebt.

Christian Neubert   Zur Review
Little Simz
Lotus
Sony • 2025 • ab 30.99€

Little Simz hat einen neuen Produzenten. Auch wenn der Grund eher traurig ist (ihr früherer Weggefährte Inflo schuldet Little Simz £ 1,7 Mio.), tut es der Rapperin richtig gut. Ihre Lyrics sind bissig und voll pointierter, abgeklärter Wut, ihre Delivery traut sich über mehrere Tellerränder, wenn sie Inflo zerpflückt. Und die Musik ist roh und lebendig. Produzent Miles Clinton James hatte zwar schon früher Writing und einzelne Instrumente beigesteuert. Auf Lotus (AWAL) gibt er Little Simz nun den Energieraum zurück, den Inflos mittlerweile redundanter, weichgespülter Konservensoul in der Vergangenheit ziemlich eingepfercht hatte.

Jens Pacholsky   Zur Review
Los Piranas
Una Oportunidad Mas De Triunfar En La Vida
Glitterbeat • 2025 • ab 27.99€

Kräfte von den Meridian Brothers, Frente Cumbiero und Romperayo machen gemeinsame Sache. Los Pirañas ist eine Bogotá-Supergroup, sozusagen. Eblis Alvarez, Mario Galeano und Pedro Ojeda haben Una Oportunidad Mas De Triunfar En La Vida im Studio live aus Improvisationen entwickelt. Cumbia ist die Basis, andere lateinamerikanische Spielweisen sowie deren afrikanische Wurzeln sind das Material, das hier mit Punk-Geist verarbeitet wird. Vordergründig gut gelaunt, aber immer bereit für ein stilistisches Abenteuer.

Andreas Schnell   Zur Review
Macie Stewart
When The Distance Is Blue
International Anthem • 2025 • ab 26.99€

Einen »Liebesbrief an die Momente, die wir im Dazwischen verbringen« nennt Macie Stewart ihr bei International Anthem erschienenes, zweites Soloalbum When The Distance Is Blue. Das klingt floskelhaft nach Lebenshilfe, ist hier aber in erster Linie musikalisch gemeint. Denn die aus ambienten Flächen, Pianoimprovisationen, Streicherarrangementes und Field Recordings collagierten acht Stücke betonen in erster Linie die Pausen. Wer liebt sie nicht? Mit Lia Kohl, Whitney Johnson und Zach Moore hat die in Chicago lebende Multiinstrumentalistin auch hochkarätigen Mitstreiter:innnen an ihrer Seite.

Sebastian Hinz   Zur Review
Marshall Allen
New Dawn
Week-End • 2025 • ab 29.99€

Er hat sich ein bisschen Zeit gelassen für sein Solodebüt. Marshall Allen, Leiter des Sun Ra Arkestra, zählt mittlerweile 101 Jahre. Sein New Dawn ist kein atonaler Wahnsinn und keine Weltraum-Esoterik, Allen kratzt an der Tür zum Free Jazz, geht aber nicht hindurch. Spuren von Calypso, Big Band und Spiritual Jazz, Funkyness und Streichern ziehen sich durch die Tracks, und kosmische Effekte gibt es dann, wenn er sein Altsaxofon gegen das Electronic Wind Instrument tauscht. Das wirkt so frisch und lebendig, als wäre der Jazz gerade erst erfunden worden.

Albert Koch   Zur Review
Martina Bertoni
Electroacoustic Works For Halldorophone
Karl • 2025 • ab 26.99€

Ein bisschen sieht es aus wie ein alter Staubsauger mit Saiten dran. Dabei stammt das Halldorophone, entworfen vom Künstler und Designer Halldór Úlfarsson, aus dem Jahr 2008. Die isländische Cellistin und Komponistin Hildur Guðnadóttir setzte es unter anderem bei ihrem Soundtrack zum Film »Joker« ein. In weniger bombastischer Weise nutzt ihre Kollegin Martina Bertoni das elektroakustische Instrument jetzt auf ihrem jüngsten Album Electroacoustic Works For Halldorophone, die sich elegant zwischen Folk und Glitch behauptet.

Tim Caspar Boehme
Maurice Louca
Bariy (Fera)
Simsara • 2025 • ab 28.99€

Wenn Maurice Louca Musik macht, öffnet er die Büxe nicht ein Stück weit, er lässt immer gleich den ganzen Schwarm raus. Seine Kompositionen sind wie eigene Organismen, wachsende Körper, die einen umwirbeln, einen mitreißen in den Strudel, der eine Stadt wie Cairo ja überlieferweise wohl ist. So pointiert komponiert wie auf Bariiy (Fera) hat ägyptische Musiker wahrscheinlich noch nie: Die Stücke haben trotz ihrer charakteristisch wimmelnden Art einen starken inneren Zusammenhalt und eingängigen Groove. Fera ist der Puls, den man haben will – alles andere wäre nur halb lebendig.

Pippo Kuhzart
Merzbow
Collection 001-010
Urashima • 2025 • ab 329.99€

Heute wird Merzbow v.a. mit totgememten Alben wie Venerology in Verbindung gebracht und die Auseinandersetzung mit Masami Akitas Diskografie aus den 1990er-Jahren lohnt sich zwar. Irgendein Merznerd muss aber auch dieses Box-Set anpreisen: Im Jahr 1981 brachten Akita und Kiyoshi Mizutani zehn Kassetten heraus, die dank Urashima nun zum ersten Mal auf Vinyl erhältlich sind. Collection 001-010 stützt sich auf surrealistische Arbeitsweisen, Live-Instrumentierung und Tape-Fuckery – Musik, als hätte jemand Peter Brötzmann, Nurse With Wound und Pierre Henry in einem abstürzenden Fahrstuhl gesperrt. Nicht ganz so witzig wie Woodpecker, aber ernsthaft geil.

Kristoffer Cornils
Mess Esque
Jay Marie, Comfort Me
Drag City • 2025 • ab 33.99€

Flackernd wie ein schlechter Tagtraum, leuchtend wie ein gutes Omen: Jay Mary, Comfort Me von Mess Esque ist kein Album, sondern ein Zustand. Gitarrennebel, Hallräume, Stimmen, die durch den Raum treiben wie Erinnerungsfetzen – irgendwo zwischen Ambient, Slowcore und Wachschlaf. Willkommen im schönsten Fiebertraum des Halbjahres! Wer wissen will, wie sich zwischen Wachen und Wegdriften Musik anfühlt, sollte hier kurz verschwinden. Empfehlung für alle, die ihre Realität gerne in Zwischentönen hören.

Ania Gleich   Zur Review
MOBBS & Susu Laroche
ZERO
Modern Love • 2025 • ab 27.99€

Als würde man unbedarft in einen verbotenen Ritus stolpern, den man lieber nicht hätte sehen sollen. So klingt ZERO, dieser bleischwere, in dichten Nebel gesteckte Entschleunigungs-Doom-Pop auf Modern Love, dem Label der Expert*innen für Musik, zu der mit Betonschuhen getanzt wird. MOBBS & Susu Laroche legen die Melodien auf die Streckbank, während um sie herum alles in Schutt und Asche fällt. Hier schleppen sich die fünf Tracks des britischen Produzenten und der ägyptisch-französischen Sängerin mit letzter Kraft ins Ziel.

Christopher Hunold
Mohammad Mostafa Heydarian
Noor-E Vojood
Centripetal Force / Cardinal Fuzz / Radui Khiyaban • 2025 • ab 36.99€

Mohammad Mostafa Heydarian spielt eines der ältesten Instrumente überhaupt, die Langhalslaute Tanbur, aber der kurdische Virtuose interessiert sich kaum für die bloße Traditionsverwaltung. Mit Noor-e-Vojood macht der 23-Jährige aus Kermānshāh stattdessen dort weiter, wo er 2021 zusammen mit dem Dāf-Spieler Behzād Varāshte auf seinem Debüt Songs Of Horaman aufgehört hatte. Größtenteils im Alleingang tätig – bei den beiden längsten Stücken ist Mortezā Rezāei an der Percussion zu hören –, differenziert Heydarian seinen zwischen introspektiver Ruhe und rasender Energie oszillierenden Kompositionsstil weiter aus. Herausgekommen ist das wildeste Akustik- Release diesseits der neuen Senayawa-Platte, durch und durch innovativ.

Kristoffer Cornils
Moin
Belly Up
AD93 • 2025 • ab 25.99€

Nur wenige Monate nach ihrem bislang besten Album schiebt die Supergroup um Raime und Valentina Magaletti eine EP nach, die ihren spröden Proberaum-Sound auf die Spitze treibt. Schon mit dem stolpernden Opener von Belly Up ist alles gesagt. Zwischen den Gitarren marschiert Magaletti mit stoisch gespieltem Rhythmus nach vorne, während die Gäste – Ben Vince mit seinen abenteuerlichen Bläserfahrten und Autorin Sophia Al-Maria mit ihrem dringlichen Spoken-Word-Beitrag – die Erwartungen an Gitarrenmusik auf links ziehen.

Christopher Hunold   Zur Review
Nazar
Demilitarize
Hyperdub • 2025 • ab 24.99€

Der Titel Demilitarize klingt wie ein Statement gegen die seit Jahresbeginn allerorten aufflammende Kriegsrhetorik. Doch im Gegensatz zu seinem 2020er Debüt Guerilla ist Nazars zweites Album keine Auseinandersetzung mit Krieg, sondern mit sich selbst, mit Krankheit, nachdem er nach einer COVID-Erkrankung lange mit wiederaufgeflammter Tuberkulose kämpfte, mit Verletzlichkeit und innerer Unruhe. Songs wie »War Game« nutzen Kriegsmetaphern (»10 pills for 6 months as artillery«), um das abzubilden, was im eigenen Körper passiert, und ziehen Vergleiche zur Kriegserfahrung seiner angolanischen Familie. Seine von ihm selbst mal als »rough kuduro« bezeichnete Musik wird dabei intimer. Verzeihender, möchte man fast sagen, denn gegen sich selbst geht man ja nicht so hart zu Gericht.

Sebastian Hinz   Zur Review
Ohyung
You Are Always On My Mind
Phantom Limb • 2025 • ab 27.99€

Die Vorab-Single von OHYUNGs Drittwerk You Are Always on My Mind war eine Überraschung: no good hatte herzlich wenig mit den sanften Ambient-Klängen des Vorgängers imagine naked! zu tun und aber alles mit dem Pop-on-a-Beat-Stil, den Mica Levi und Tirzah vordefiniert hatten. OHYUNG geht indes andere Wege, zollt sowohl dem Hip- als auch dem Trip-Hop, schräger elektronischer Musik und gelegentlich dem Dancefloor Tribut, alles abgerundet durch großzügig und doch effiziente eingesetzte Streicher-Samples. Laut Künstler:in hören wir »mein Trans-Ich und mein früheres Ich im Gespräch, aus beiden Perspektiven« und also ein Album voller musikalischer und emotionaler Kontraste, hier noch mit Gude-Laune-Garantie und dort schon absolut niederschmetternd.

Kristoffer Cornils
Purelink
Faith
Peak Oil • 2025 • ab 29.99€

Das New Yorker Trio Purelink schuf mit seinem Debüt Signs vor zwei Jahren eines der besten Alben der Dekade bisher. Einigermaßen hohe Latte für ihre zweite Platte, Faith. Von den feinen Geflechten aus Knistern, Ambient und Dub entwickeln sie sich diesmal hin zu klareren Klangstrukturen. Sogar Gäste wie Loraine James schauen gelegentlich vorbei und tragen zu veritablen Minimalsongs bei. Insgesamt ist die Sache etwas erdiger, ihrem Ideal des maximal reduzierten Groove bleiben die Drei aber weiter treu.

Tim Caspar Boehme
Q Lazzarus
Goodbye Horses
Dark Entries • 1991 • ab 21.99€

Schon tragisch, dass Q Lazzarus nicht miterlebte, wie ihrem schmalen und doch einflussreichen Œuvre durch einen Dokumentarfilm, Sacred-Bones-Compilation und nicht zuletzt ein ordentliches Reissue ihrer Durchbruchs-Single Goodbye Horses neues Leben eingehaucht wird. Doch ist ja nur irgendwie sinnig, dass eine nach einem biblischen Wiederaufersteher benannte Sängerin nach ihrem Tod im Jahr 2022 zu neuen Höhen aufsteigt. Auch wenn vieles von dem, was in diesem Jahr erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, nicht mit Diane Luckeys größtem Hit mithalten kann: Allein die Wiederveröffentlichung der Single durch Dark Entries dient als schönstmögliche Hommage an ihr Vermächtnis. Goodbye, Q Lazzarus.

Kristoffer Cornils
Raed Yassin
Phantom Orchestra
Morphine • 2025 • ab 29.99€

Viel mag viel helfen, aber … irgendwas mit Köchen und Brei, ihr wisst schon. Der libanesische Allrounder Raed Yassin hingegen hat mit Phantom Orchestra als Sternekoch reüssiert. Das Mitglied des »A«-Trios und von Praed hat separat aufgenommene Improvisationen von 42 (!) Berliner Musiker:innen zu einer konsistenten, kohärenten siebenteiligen Suite zusammencollagiert; ein nachdrücklicher Reminder daran, dass selbst die gigantösesten Monumente auch dann die Summe ihrer Einzelteile sind, wenn sie mehr darstellen. Und ein Album, gegen das selbst die größten genreflexibelsten Bands unserer Zeit – egal, ob euch das nun an Sleep Token, Godspeed You! Black Emperor oder Neptunian Maximalism denken lässt – wie stümperhafte Rülpspunks aussehen.

Kristoffer Cornils
Raisa K
Affectionately
15 Love • 2025 • ab 30.99€

Leicht vom Schuss aufgeführter Bedroom-Pop, der catchy sein darf, auch wenn er sich konsequent für die Umwege entscheidet. Was Raisa K, deren Freundschaft zu Mica Levi unüberhörbar ist, serviert, ist ein bisschen leiernd, ein wenig verhangen und sehr, sehr großartig. Manchmal spielt nur ein Bass mit, aber was sie aus diesen kleinen Song-Experimenten herausholt und dabei so intim klingt, dass es sich fast falsch anfühlt, sie laut zu hören, sollte nicht ignoriert werden. Diese Form von windschiefem Art-Pop erlebt zum Glück gerade eine Hochphase, klingt aber selten so faszinierend wie hier.

Christopher Hunold
Saeko Killy
Dream In Dream
Bureau B • 2025 • ab 27.99€

Dream In Dream ist das zweites Album der japanischen Produzentin Saeko Killy und dieses Jahr auf dem Label Bureau B erschienen. Beeindruckend ist vor allem, dass sie 80er-Jahre-Neue Deutsche Welle und japanische Einflüssen miteinander kombiniert. Mit einer Symbiose aus Minimal Wave, psychedelischer Elektronik und warmen Synthesizerklängen entsteht eine atmosphärische Klangwelt, die gleichzeitig nostalgisch und originell wirkt. Dream In Dream thematisiert die Verbindung zwischen Mensch und Maschine und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie sich durch neue Technologien kulturelle und zeitliche Räume miteinander verknüpfen lassen. Killys Musik fungiert dabei als Brücke zwischen Epochen und Ländern.

Celeste Dittberner
Sequence Of Events
The Art Of Memory
Subject To Restriction Discs • 2025 • ab 20.99€

Von Kraftwerk über D.A.F. bis hin zur Salon-des-Amateurs-Clique ist das musikalische Erbe Düsseldorfs über die Jahrzehnte gigatonnenschwer geworden, doch Sequence Of Events schultern diese Last mit Leichtigkeit. Joshua Gottmanns und Deniz Ahmet Saridas, selbst Alumni des Salons, präsentieren sich auf ihrem Debüt The Art of Memory als ausgefuchste Adepten des von Kreidler und Co. vorgeprägten Post-Industrial-Sounds mit Dub im Unterboden und ziemlich scharfen Kanten, geben den bewährten Formeln aber einen neuen Spin. Auf elf Tracks vereinen die beiden anarchischen Autodidakten pluckernde Grooves mit Punk-Attitüde und hin und wieder unvermittelt ins Getriebe triefende Sentimentalität.

Kristoffer Cornils
Sophia Kennedy
Squeeze Me
City Slang • 2025 • ab 30.99€

Squeeze Me – gemeint ist nicht die auf Plüschtierverpackungen oft lesbare Aufforderung zum Knuddeln, sondern das Gefühl, von den Erwartungen der Außenwelt zerdrückt zu werden. Sophia Kennedy schlüpft dafür in die beobachtende Rolle einer Fliege, ergründet kindliche Sinnfragen und entlarvt die ernüchternde Realität einer scheinbar heilen Jahrmarkt-Kulisse. So bunt und verheißungsvoll glänzt auch die Musikbranche mit ihren Klischees und falschen Versprechungen, denen Kennedy mit teils seltsamen Melodien und klugen Songtexten trotzt.

Laura Kunkel   Zur Review
Stereolab
Instant Holograms On Metal Film
Duophonic Uhf Disks / Warp • 2025 • ab 39.99€

Unerwartete Geschenke sind die schönsten: Wer hätte noch erwartet, von Stereolab, dieser um die Jahrtausendwende aus verschiedensten Richtungen heißgeliebten Band neue, tolle Songs geschenkt zu bekommen - nach 15 Jahren Veröffentlichungspause? Die mäandernden Shapeshifter-Tracks klingen frisch und doch vertraut. Aus Krautrock-Motorik, Easy Listening, Exotica und Vintage-Synthesizern entsteht ein schwer kategorisierbares Soundamalgam – melancholisch und doch optimistisch. Mehr denn je die Musik zur Zeit.

Stephanie Grimm   Zur Review
Traxman
Da Mind Of Traxman Vol. 3
Planet µ • 2025 • ab 26.99€

Footwork ist eines jener Genres, denen wahlweise das Aussterben oder Revivals angedichtet werden. Die Wahrheit aber ist: Footwork war nie weg und wird es auch nie sein, und Acts wie Traxman haben daran großen Anteil. 15-mal lässt der Chicagoer, sorry, Veteran, daran teilhaben, was in seinem Kopf vor sich geht: Ein irrwitzig inspiriertes Wirrwarr aus brachialen Basslines, humorigen Dancefloor-Kommandos und kreativem, dennoch präzisem Sampling, das besten Teklife-Zeiten in nichts nachsteht.

Maximilian Fritz   Zur Review
Various Artists
Disk Musik: A DD. Records Compilation
Phantom Limb • 2025 • ab 37.99€

Stimulierender Ambient, zackiger Punk, Soundcollagen, Pop, Prog-Jazz, frühe Computermusik, Musique Concréte und Minimal à la Steve Reich: die unter Vinylsammlern gesuchte Disk Musik Kompilation des japanischen Labels DD. Records ist variantenreich und klingt auch über vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung futuristisch. Ein abenteuerlicher Sampler zwischen arglosem Experiment und verlockender Zugänglichkeit, der zeigt: hingebungsvolle Hobbymusiker wirken zuweilen intensiver als Profis.

Michael Leuffen   Zur Review
Various Artists
No-Ones Listening Anyway: UK DIY Post Punk & Dubs 1980-1984 (Volume 1)
Caroline True • 2024 • ab 27.99€

Die Compilation ist alleine deshalb so toll und so wichtig und so ERLEICHTERND, weil sie schon im Titel an einen vom aussterben bedrohten Vibe erinnert: No-Ones Listening Anyway. Ja! Geil! Einfach ungehört bleiben, ungesehen, und das schnoddrig und natürlich bitte in schönster Arroganz akzeptieren und zelebrieren. Denn: wer ist schon das Publikum? Comps mit Post-Punk aus dem glorreichen UK der 1980er die gab es natürlich schon, aber es ist länger her, dass eine so gut war wie diese hier.

Pippo Kuhzart   Zur Review
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