Alle fliehen nach draußen, begeben sich auf Zwangsspaziergänge und wissen es endlich wieder zu schätzen, der Welt beim Aufblühen zuzuschauen und zu hören. Derweil die Gesellschaft im Stillstand befangen ist, richtet sich die Wahrnehmung zwangsläufig auf die Fortschritte, welche die Natur macht. »Late Spring« heißt nun das neue und innerhalb von nur 15 Jahren bald 80. Album des japanischen Klangkünstlers Chihei Hatakeyama und zwar ist der Titel von Yasujirō Ozus gleichnamigen Film geliehen und kam die Inspiration von David Lynchs »Twin Peaks – The Return«, doch ist das (allemal vage) Konzept das einer Art saisonalen Gefühls, um zirkuläre Wiederholungen: aufblühen, verwelken, zu Kompost werden, neue Wurzeln schlagen, repeat. Wer schonmal eines von Hatakeyamas Alben gehört hat, wird sofort verstehen, dass dieser sich für diesen Ansatz weder selbst noch das Rad neu erfindet. Die elf mal die Gitarre, mal Synthesizer als Klangerzeuger verwendenden Tracks sind schwerelos und doch dicht, schweben langsam von einem Klangkulminationspunkt zum nächsten. Die Musik atmet, blüht auf und verwelkt – repeat. Es ist eine Wohltat, das zu hören, doch zieht sich ein elegischer Ton durch das Album, eine Art unscharfe Unheimlichkeit. Es spukt tatsächlich ein lynchianisches Gespenst durch diese Sounds: Die verschwommene Bedrohlichkeit, die von der ewigen Wiederkehr des Verdrängten erzählt.
Late Spring