Review Rock

Günter Schickert

Samtvogel

Bureau B • 1974

Wie viel Punk steckt im Krautrock? Von der Haltung her sehr viel. Das beste Beispiel ist der Musiker Günter Schickert. Er hat sich das Gitarrespielen selbst beigebracht, wohnte in den Siebzigern in einer Moabiter Fabriketage, wo auch sein Debütalbum »Samtvogel« von 1974 entstand. Von ihm selbst veröffentlicht, ohne Label oder so. Aus dem Gefühl heraus, einfach mal eine Platte zu machen. Allein aufgenommen, mit einer Gitarre, einem Echogerät und einem Telefunken-Tonband. So entwickelte Schickert die für ihn charakteristische Echogitarre, hallende Loops, auf den ersten Blick nicht unähnlich den Frippertronics von Robert Fripp, aber mit einem ganz anderen Groove. Bei Schickert entsteht durch sein Verfahren eine rollende Motorik ganz ohne Schlagzeug.

Und seine Gitarre dreht sich zwar, aber meditativ ist das Ergebnis nicht, jedenfalls nicht im besinnlichen Sinne. Das Ganze hat eine rhythmisch geordnete Strenge, deren Härte sich weniger in rocktypischen Riffs niederschlägt, als vielmehr aus Schickerts Neugier auf eindringliche Klänge resultiert. Und aus seinem unbefangenen Umgang mit Dissonanzen, die bewusst politisch gemeint sind. »Kriegsmaschinen fahrt zur Hölle« heißt eines der Stücke. Zum 50-jährigen Jubiläum gibt es jetzt eine Neuauflage. Ein Klassiker, der im Grunde immer noch zu entdecken ist.