Review

Laurine Frost

A Fading Virtue By Passing Time

Marionette • 2015

»Just because you’re not a drummer, doesn’t mean you don’t have to keep time«, schrieb der Jazz-Pianist und Vollzeitsonderling Thelonius Monk mal in einer Art Manifest als Erinnerung an alle Mitmusizierenden. Nun sind zwar Spielanleitungen beziehungsweise Manifeste wie diese heutzutage rar geworden, der ungarische Produzent Laurine Frost aber hat ein solches formuliert. Nur dass es, anders als Monks handschriftliche Notizen, ganz ohne Sprache auskommt. Im Vordergrund steht der Sound. Es flirrt, es klonkt, es klappert unaufhörlich im »Marionette Manifesto«, wie das Auftaktstück seiner neuen EP auf dem gleichnamigen Label lautet. Marionette wurde erst letztes Jahr mit einer Maxi des Weimarers Deer aus der Taufe gehoben. Anders als die auf Klangtiefe abzielenden Tracks Martin Hirschs arbeitet Frost weder primär vertikal und legt das Ohrenmerk auf die Gestaltung seines Sounddesigns, noch breitet er sich in der Horizontalen aus und konzentriert sich auf Struktur und Ablauf seines Tracks. Stattdessen nimmt der gerne unter Pseudonymen agierende Exzentriker den steinigen Mittelweg. Wie von Monk gefordert behält er Takt und Timing – als ewiges Problem der Komposition schon in den Titel der EP eingeschrieben – ein und verliert sich nicht in Abzweigungen oder überschüttet seine komplexen Rhythmen mit zu viel Soundballast. Frei nach Monks Motto: »Don’t play everything (or every time); let some things go by. Some music just imagined.« Frost lässt noch Raum offen, sowohl dem Klang als auch der Imagination. Sicher ist das anspruchsvoll, goldenes Handwerk ist auf »A Fading Virtue By Passing« jedoch nicht allein zu hören. Sondern eine ausformulierte künstlerische Vision, die sich mit aller gebotenen Coolness Bahn bricht. Ob das ein unheilschwangeres Kontrabass-Motiv (»Virtue«) oder gesampelte Live-Drums und verspulte Chorgesänge (»Viburnum Opulus«) beinhaltet, Frost gelingt ein gleichsam einzigartiges wie komplexes und doch treibendes verzahntes Ganzes. »You’ve got to dig it to dig it, you dig?« Aber sowas von, Monk, denn der hier diggt es. Und ihr?