Review

Thom Yorke

Suspiria OST

XL Recordings • 2018

Dario Argentos Genre-Klassiker »Suspiria« wurde lange Zeit ebenso zweischneidig aufgefasst wie die Messer, die in den Filmen des italienischen Regisseurs blitzen. Heute zählt der Horrorfilm als Meisterwerk, der seinen Platz in diversen Bestenlisten behauptet. Die Prog-Rocker Goblin, die innerhalb Dario Argentos Frühwerk quasi als Hausband fungierte – und im »Suspiria«-Vorspann dennoch als The Goblins aufgeführt wird – schuf für den Soundtrack eine Symphonie des Grauens, die heute ebenfalls kultisch verehrt wird. Das mit Spannung erwartete und von Luca Guadagnino inszenierte Remake des Films läuft ab dem 15.11.18 in deutschen Kinos.

Für den Soundtrack wurde Thom Yorke gewonnen. Seine Kompositionen, für die er u.a. das London Contemporary Orchestra verpflichtete, sind geisterhaft luftig und von scharfer Präzision. Mit Streicherpassagen, Klavierklängen, weihevollen Chorgesängen und schrägen Synthies schaffen sie eine trippig-alptraumwandlerische Atmosphäre, die der Radiohead-Sänger auch hier und da mit seiner Stimme bedient. Der Einsatz dahingehauchter Worte als soundmalerisches Element, das deutlich zur gespenstischen Stimmung des Original Scores beitrug, wird von Thom Yorke im Sinne der gleichen postmodernen Zitierfreude, der wir eben auch das filmische Remake verdanken, aufgegriffen, aber nicht überstrapaziert. Aufgrund seiner Fülle aus skizzenhaften Collagen und episch produzierten Tracks klingt das melancholische Moment des Soundtracks stärker durch als bei Goblins’ psychedelisch-experimenteller Pionierleistung, und überhaupt ist sein gefühliger Mantel feiner gewoben. Das Unbehagen, das »Suspiria« Terror speist, gedeiht in Yorkes fragilen Klangbildern deutlich unterschwelliger. Sie träumen sich selbst davon. Bis sie dann doch kulminieren und fast physisch greifbar werden.

Thom Yorke erklärte, sich an den Originalmotiven orientiert zu haben, was unüberhörbar ist und wohl eh unabdingbar war. Er holt allerdings viel weiter aus, alleine schon in Sachen orchestraler Wucht, weswegen das zur Floskel gerät – und ohnehin egal ist: Sein Soundtrack kann sich eigenständig und losgelöst vom Film behaupten. Auch in Stücken wie »Volk«, die alle Zutaten gleichzeitig auffahren, welche das Vorbild der Goblins so schauderhaft bekömmlich machen.

Kombiniert mit farbigen LEDs, die die eigene stilvoll angekratzte Altbauwohnung illuminieren, schafft Thom Yorkes Soundtrack bereits vor dem Bundesstart des Filmremakes gepflegte »Suspiria«-Momente und dient als evokativer Audio-Trailer. Ein ähnlich ikonischer Glorienschein wie Goblins Original Score wird Yorkes Arbeit aber auch in Jahren nicht umwabern. So ist das eben mit Remakes. Und mit großen Fußstapfen.