Wer sich nach japanischer Kultur sehnt, findet in meiner Heimatstadt Wien eine Reihe einschlägiger Restaurants, Teehäuser und Manga-Stores. Es gibt ein japanisches Filmfestival, Shibari-Studios und sogar ein Denkmal für den Tennō. Was jedoch fehlt, ist ein Onsen – ein japanisches Thermalbad. Das liegt weniger an der Infrastruktur: Thermen, Spas und Saunen gibt es genug. Vielmehr ist es die spezifische Badekultur, die fehlt. In einem Onsen gelten strikte Verhaltensregeln, dafür werden soziale Hierarchien außer Kraft gesetzt.
Ich erwähne das, weil Meiteis neues Album nicht nur in einem Onsen aufgenommen wurde, sondern auf einer Klanginstallation für ein solches basiert. Sen’nyū ist also weniger Hintergrundmusik für ein Spa als … was wäre das westliche Äquivalent? Sound Art in der Umkleide eines Fußballclubs? Sen’nyū ist nicht gefällig. Wie die Kofū-Trilogie klingt es nostalgisch und geisterhaft, doch stärker noch als zuvor setzt Meitei auf Field-Recordings. Zwischen Wassergeräuschen, Wind und dem Flüstern von Badegästen entsteht eine intime Atmosphäre, die der von Claire Rousay in nichts nachsteht.
Wer die quirligen Arrangements früherer Alben erwartet, wird von Sen’nyūs ruhigen, fließenden Bewegungen vielleicht enttäuscht sein – dafür ist das Album umso geerdeter. Meitei erinnert uns daran, dass sich Kulturen nur dann offenbaren, wenn man bereit ist, wirklich in sie einzutauchen. Wie ein Gast in warmem Wasser.
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