Ausklang | 2017KW32 – 8 essentielle neue Platten

11.08.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
Nahid Akhtar
I Am Black Beauty
Finders Keepers • 2017 • ab 17.99€
Ein so typisches Release aus dem Hause Finders Keepers. Zuerst schwirren einem sehr viele Fragen durch den Kopf: Was soll das? Warum überhaupt? Braucht man das? Und dann sind da doch so schöne und merkwürdige und ulkige Momente auf jeder Platte zu finden, die du ja auch erst vermissen kannst, wenn du sie kennst. Dieser Track von Nahid Akhtar, »I Am Black Beauty«, beinhaltet zum Beispiel ein Sample (ca. 1:24) von mir, wie ich sehr früh morgens im Badezimmer stehe und auf die Frage »Hast du gut geschlafen?« antworte. SH

Robert Marcel Lepage / Rene Lussier Et Le Quatuor Bozzini
Chants E Dandes … With Strings Volume III
Tour De Bras • 2017 • ab 9.99€
Was folgt, ist keine Albumempfehlung. Was Robert Marcel Lepage, René Lussier und the Bozzini Quartet da an experimentellem Klarinetten- und Streicher-Irrsinn zusammengeschmissen haben, macht einen nervlich fertiger als 45minuten Sportunterricht mit 1.000 Siebenjährigen und defekter Trillerpfeife. Tatsächlich wirkt auch der Track »Comment Faire De L’argent Avec Une Clarinette« als würde sich eine Magnesiumtablette im Ohrenschmalz auflösen, aber es gibt da so eine geile Passage, da klingt das kurz, als wären die Droner Earth zum Seerosengucken im Zen-Garten. Das ist natürlich top. PK

Fluxion
Multidirectional I+II Clear Marbled Vinyl Edition
Subwax Bcn • 2017 • ab 11.99€
Und wenn wir eh schon da sind: Ultrafluffer Fluxion macht hier mit Hilfe von DeepChord Musik, die sich nur in konzentrischen Bahnen bewegt, ihren inneren Garten aber durch ein Schaumbad mit Feel-Good-Flavour ersetzt hat. Das Tolle an Dub Techno ist ja, dass er nie aufhören will, soll oder kann, völlig austauschbar vor sich hin pluckert und nebenbei so gar nichts zu entweder Vergangenheitsmanie oder Zukunftswahn beitragen möchte. Sondern einfach nur da ist und doch nicht, wie ein morgendlicher Kopfschmerz – nur in schön, reinigend und pulsberuhigend. KC

Blameful Isles
This Heart Of Our Heart
Urban Waves • 2017 • ab 21.99€
Hinter den Wolken ist immer blauer Himmel, und jeder Hengst hat einen großen Pimmel. Zwei Sachen, die stimmen, und insofern etwas mit diesem Track zu tun haben, als das mich die Tatsachen einzeln für sich stehend ziemlich kalt lassen, ich sie so zusammengenommen aber total witzig finde. Um Einheit geht’s auch bei Blameful Isles. Ein Mann dem die Weisheit des Kosmos’ mühelos durch sein lückenhaftes Gebiss strömt, leitet ein mit »Shanti, Shanti, Shanti«, dann ein bisschen Sax, ein bisschen Sitar, ein bisschen Wind durch das Glockenspieldingens, und ich stehe da unter bewölktem Himmel mit einem Kugelschreiber. Von wegen wo ich mich einschreiben kann PK

Vilde&Inga
Silfr
Sofa • 2017 • ab 17.99€
Hier meine 5 Cents zum Unterschied zwischen Norwegen und Deutschland anlässlich der neuen Schallplatte »Silfr« von [Vilde&Inga](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/5351/vilde-inga🙂 Kinder in Deutschland spielen mit Lego und werden Ingenieure. Kinder in Norwegen spielen mit Musikinstrumenten. Hierzulande läuft im Radio Robin Schulz, Rita Ora und Shawn Mendes (zugegeben: musste ich googlen). In Norwegen muss scheinbar den ganzen Tag Cornelius Cardew, Ornette Coleman, Supersilent oder Dmitri Shostakovich laufen. Volksmusik in Norwegen ist cool. Volksmusik in Deutschland ist Volksmusik. SH

Sun God & Daryl Cura
The Cs Strategy
Eargasmic • 2004 • ab 12.99€
Kommen wir zur elektronischen Volksmusik, bevor der Kollege vollends verzweifelt: Bevor es Outsider House gab, hat *Jamal Moss meterweise die Regale mit rougher Grobkörnigkeit überzogen. Unter seinem The Sun God-Alias hat er noch dieses Jahr eine neue EP veröffentlicht, schön ist aber auch dieses Reissue seines Debüts auf einer gemeinsamen Split mit Daryl Cura. Gebt’s zu: Hätte euch das jemand vor vier Jahren als neueste L.I.E.S.-Platte mit nostalgischem Zweite-Welle-Detroit-Touch angedreht, ihr hättet es nicht geschnallt. Moss eben, seiner Zeit maßgeblich voraus. Banger! KC

Asda
The McDonald's Prayer Japan Blues & Ossia Remixes
No Corner • 2017 • ab 12.99€
Asda sind Vessel und Chester Giles, ihr gemeinsamer Output so etwas wie die Arthouse-Antwort auf die Sleaford Mods: Bisschen eklig, bisschen hingerotzt, vor allem aber in abgründigen Privatissime unterwegs. Dass No Corner-Labelhead Ossia an die Remix-Duties ihrer – ungelogen – 59sekündigen Single geht, verwundert nicht, vor allem aber freut der Regrind von Japan Blues, der dem Original die Musik unterschiebt wie eine ranzige McDonald’s-Serviette, auf dessen Innenseite die Telefonnummer einer Selbstmordhotline gekritzelt steht. Eklig, mit viel zu vielen Zusatzstoffen, aber immerhin doppelt Käse und einer Extragewürzgurke. KC

Karkhana
For Seun Matta
Holidays • 2017 • ab 15.99€
Wer im letzten Jahr von The Dwarfs of East Agouza und ihrer LP »Bes« so begeistert war wie wir dem dürfte diese EP von Karkhana die Wartezeit auf neues Material des Trios verkürzen. Zwei von drei Dwarfs sind auch als Musiker vertreten, die anderen sind »some of the most innovative players from Beirut, Cairo and Istanbul«. Schreibt die Plattenfirma. Mehr als dieser 2-minütige Teaser war von »For Seun Matta« nicht aufzutreiben. Sollte dennoch überzeugen. SH