Danny Brown über das trockene Leben und das Rappen im Alter

11.12.2023
Foto:© Warp Records
Danny Brown war einer der Galleonsfiguren der Druffi-Rapper während der Tumblr-Era. Jetzt ist er clean. Ein neues Album erscheint. Wir haben mit ihm gesprochen.

Danny Brown ist trocken. Und schlecht gelaunt. Gestern flog der Rapper, der mit »Quaranta« gerade sein sechstes Album veröffentlichte und zu den wenigen Hip-Hop-Artists auf Warp Records gehört, von Austin nach London. Heute blicken mich zwei jetgelaggte Augen vor ausgeblurrtem Hintergrund an. Bock auf Interview? Eher nicht so. 20 Minuten haben wir trotzdem. Also sprechen wir über den Alkoholentzug, den der 42-Jährige zuletzt gemacht hat und über ein vorläufiges Happy End im Kaninchenbau.


Ich habe gerade das Video von deiner Listening Session fürs neue Album gesehen – veranstaltet von einer Tequila-Marke. Ein bisschen seltsam, oder?
Danny Brown: Sponsoring ist Sponsoring. Wenn du in der NBA spielst, kannst du dir auch nicht aussuchen, ob die von Heineken gesponsert wird. Außerdem trinken eh alle, ich halt nicht mehr.

Du bist 245 Tage trocken, wenn ich richtig gerechnet habe.
Ich bekomme dafür eine Nachricht auf mein Handy, aber ich hab ewig nicht mehr drauf geschaut. Warte mal kurz, ich check kurz, ob du eh recht hast. Es sind… 245 Tage.

Das ist richtig gut!
Klar, ich bin jetzt glücklicher, aber ich glaub nicht, dass ich eine Auszeichnung dafür verdiene, weil ich etwas getan habe, das ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.

Na ja, doch.
Ja, von mir aus, aber es ist doch egal. Ich möchte andere Menschen dazu inspirieren, dass sie sich auch ändern können, wenn sie es wollen. Darum geht’s mir mittlerweile.

Du hast in deiner Show über gute Ratschläge gesprochen, die dir Leute gegeben haben, als du noch nicht auf Entzug warst. Was war der schlechteste Rat, den dir jemand gegeben hat?
Wahrscheinlich wären die schlechten Ratschläge nicht einmal zu mir durchgedrungen. Ich schau schon drauf, wer mit mir spricht und wem ich vertraue.

Außerdem trinken eh alle, ich halt nicht mehr.

Danny Brown

Was haben dir Leute gesagt, denen du vertraust?
Dass das Trinken oft passiert, weil davor etwas Schlimmes geschehen ist. Das bedeutet: Man versucht, ein Problem zu vermeiden. Aber das Trinken löst das Problem nicht nur nicht, es macht es nur noch schlimmer. Deshalb musste ich erstmal meine Denke ändern. In der Therapie wurde mir aber auch beigebracht, dass ich mit Leuten zusammen sein muss, die trinken und so weiter. Wenn man versucht, sich zu verstecken und davor wegzulaufen, wird es einen irgendwann einholen. Wenn man sich darauf konditioniert, dass es um einen herum normal ist, wird es keine große Sache sein.

Also, du …
Ich treib mich nicht in Bars rum, weil es dafür keinen Grund mehr gibt. Trotzdem möchte ich nicht, dass sich die Leute in meiner Nähe unwohl fühlen und denken, sie könnten nicht sie selbst sein, etwas trinken oder Gras rauchen.

Verhalten sich Menschen in deiner Umgebung anders als früher?
Am Anfang haben sie das, klar. Dann haben sie gemerkt, dass sie tun können, was sie wollen, nur halt ohne mich, weil wenn ich es weiterhin getan hätte, wär ich nicht mehr am Leben.

Nervt dich das, wenn dich Leute danach fragen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bleibe ja auch trocken, um anderen Menschen zu helfen – so konzentriere ich mich auf meine Abstinenz, daran ist nichts falsch.

Du schläfst jetzt zehn Stunden pro Nacht und hast lebhafte Träume, meintest du in einem anderen Interview.
Ich hole den ganzen Schlaf nach, den ich verpasst habe, aber einige dieser Träume sind dann doch ziemlich extrem.

Wovon handeln sie?
Ich kann mich nicht an alle erinnern, aber es ist oft etwas, das ich tagsüber erlebt habe – aber nicht genau die gleiche Situation, sondern irgendwie verändert. Außerdem dauern manche dieser Träume ewig, obwohl ich manchmal drei verschiedene Träume in einer Nacht habe – bis zu dem Punkt, dass ich mich nicht mehr daran erinnere, dass ich geträumt habe, sondern nur weiß, dass sie passiert sind.

Denkst du darüber nach?
Nein, aber manchmal träume ich, dass ich rückfällig geworden bin. Das ist beschissen. Ich fühle mich dann wie ein Versager im Traum. Ich wache verschwitzt auf und denke: Gott sei Dank, alles nur geträumt!

Ist das der Daniel, den du zurück in Danny Brown bringen willst, wie du kürzlich gemeint hast?
Darum geht es auf »Quaranta«. Früher hab ich Danny Brown vermenschlicht. Jetzt kehre ich zu mir selbst zurück. Das war überfällig, weil ich diese Figur wirklich verherrlicht habe, indem ich so getan habe, als wäre ich ein Superheld oder ein Wrestler. Ich hab das wirklich geglaubt.

Das Album hast du vor drei Jahren gemacht, also lange vor deinem Entzug. Wie stehst du heute dazu?
Es ist Teil meiner Geschichte, die ein Happy End hat. Wenn ich dieses Album veröffentlicht hätte und immer noch dieselben Dinge tun würde, die ich tat, als ich es aufnahm, dann wäre ich wie der Junge, der den Wolf rief. Jetzt schaue ich auf mein Leben und merke, dass ich andere inspirieren kann, die es besser machen wollen. Klar, ich will nicht der Typ sein, der sagt, wenn er es kann, kann ich es auch. Aber … du kannst es tatsächlich schaffen.

Fühlst du dich jemals nostalgisch für diese andere Zeit von dir?
Künstlerisch kehre ich manchmal zurück. Aber ich betrachte meine Alben wie meine Kinder. Sobald sie veröffentlicht sind, sind sie 18 – dann müssen sie aus meinem Haus raus und alleine klarkommen.

Du hast also nie das Gefühl, dass das deine Zeit war?
Na ja, schon. Vor allem bei meinem Zeug, das vor »XXX« erschienen war. Damals war ich pur. Ich habe keine Drogen genommen, um mich besser zu fühlen. Ich wollte einfach nur ein Rapper sein.

Denkst du, dass du deine Zeit vergeudet hast?
Ja, natürlich! Jeder, der so tief im Kaninchenbau steckt, würde das denken. Es ist einfach keine produktive Art, das Leben zu leben, auch wenn ich das damals wahrscheinlich dachte.

Was war der ausschlaggebende Moment für dich, Hilfe zu suchen?
Ich hatte es schon lange im Kopf, ich wusste nur nicht, wie ich es angehen sollte, denn als Mann fühlt man sich schwach, wenn man nach Hilfe fragt. Irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem man sich einfach demütigt.

Was hat dich dazu gebracht, zu fragen?
Mein Leben. Ich wusste, wenn ich so weitermache wie bisher, könnte ich … Na ja, ich wusste, dass jeder Tag mein letzter Tag sein könnte. Aber ich wollte nicht eine dieser Geschichten sein und als Statistik enden.

Was hat dein Umzug nach Austin damit zu tun?
Ich musste mein Umfeld ändern. Nur so konnte ich mein Denkmuster ändern. Wenn ich noch in Detroit leben würde, könnte ich wahrscheinlich nicht nüchtern bleiben, weil ich überall davon umgeben wäre. Meine Familie lebt dort, meine Freunde. Alles wäre stressig. Austin bietet mir dagegen einen cleanen Lebensstil. Außerdem bekomme ich viel mehr Vitamin D!

Wirst du irgendwann zurückgehen?
Mach ich eh ständig. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass ich Detroit hinter mir gelassen habe.

Siehst du Rap deshalb mit anderen Augen?
Nein, im Gegenteil: Ich bin wieder verliebt in Rap! Während meiner Trinkerzeit war ich so sehr damit beschäftigt, mir Sorgen darüber zu machen, was alles nicht funktioniert, anstatt zu sehen, wie gesegnet ich war, ein Teil dieser Kultur zu sein. Inzwischen konzentriere ich mich auf die positiven Dinge, die ich erreicht habe.

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Auf der neuen Platte ist auch viel von Danny Browns tiefer Stimme zu hören.
Viele meiner Alben waren halb-high, halb-tief. Q-Tip wollte aber immer, dass ich es mehr davon bringe. Jetzt fühle ich mich wohl damit, ich selbst zu sein und nicht der Junge, der auf Danny Brown macht.

Wenn du die tiefe Stimme benutzt, ist Danny Brown ernst.
Ja, so benutze ich das.

Auf Alben wie »Atrocity Exhibition« aber nicht.
Das war eine Form von Comedy. Witze kommen mit der hohen Stimme einfach besser.

Würdest du Rap für Comedy aufgeben?
Nein, dafür liebe ich Comedy als Kunstform zu sehr, als dass ich es halbherzig machen wollen würde. Außerdem hab ich mit Musik schon eine Menge Mist gebaut. Ich weiß nicht, wie ich mich noch einmal durch diesen emotionalen Aufruhr quälen soll.

Joe Rogan hat dich darauf angesetzt.
All diese Leute wollen, dass ich es mache. Und irgendwann werde ich das auch tun. Aber es ist etwas, das ich ernst nehmen will – vor allem das Schreiben. Das ist der einzige Teil, den ich noch nicht verstehe. Ich kann auf die Bühne gehen und Scherze machen. Aber ich möchte lernen, wie man Witze schreibt.

Ist das nicht so wie das Schreiben von Punchlines?
Ja, fast. Die Sache ist: Oft könnte ich Dinge sagen, die lustig wären, aber ich weiß nicht, wie ich das als Witz aufschreiben soll. Die Voraussetzungen fehlt mir noch – im Gegensatz zu allen anderen Comedians.

Ok, eine letzte Frage: Was liebst du an dir?
Wie gut ich aussehe!

Das ist eine ehrliche Antwort.
Das tue ich wirklich. Sieh mich an.

Und wie oft änderst du deine Haare?
Ich versuche, sie der Jahreszeit anzupassen.

Sieht gut aus, danke, dass du dir die Zeit genommen hast.