Review

n9oc

Memory Allocator

Die Orakel • 2023

Als Label wird Die Orakel seinem Namen wieder und wieder gerecht: Den Sound von morgen macht Oliver Hafenbauer regelmäßig schon heute hörbar, auch wenn dabei bisweilen in die Vergangenheit zurückgegriffen wird. Die Frankfurter Produzentin n9oc hat in den vergangenen zwei Jahren mit einigen wenigen Compilation-Beiträgen auf sich aufmerksam gemacht, »Memory Allocator« ist das erste eigenständige Release von N. T. Uyên Nguyễn. Die sechs Stücke werden vom Geist der stilprägenden Warp-Reihe »Artificial Intelligence« umweht: IDM und britischer Ambient Techno sind deutliche Referenzen, das Klangbild insgesamt aber sehr modern und alles andere als retro. Zwar nehmen Tracks wie »Entity« oder das Titelstück allemal die musikalische Sprache von Acts wie B12 oder Aphex Twin auf, übersetzen das aber in ein anderes, zeitgemäßes Idiom. Und wo »Q« und »U« an kankyō ongaku denken lassen, finden sich darin zugleich jede Menge ästhetische und rhythmische Twists, die ihnen einen sehr eigenen Drive verleihen. Mit »Explorer 2.0« und »Inverted Refractions« unterstreicht n9oc ihren Anspruch, stilistische Formeln weiterzudenken: Der erste Track ist eine ähnlich eindringliche und innovative Interpretation von Electro, wie sie sich mit Objekt, Lanark Artefax oder DJ Stingray messen kann, der andere bringt slickes raster-noton-ähnliches Sounddesign mit den ruppig-ruckeligen Rhythmen experimenteller Clubmusik von heute zusammen. Nguyễn geht wie eine Chemikerin vor, die einzelne Molekülverbindungen tradierter und zeitgenössischer Genres extrahiert und miteinander in Bewegung setzt. Zukunftsweisende Forschung in Sound.